Dingliches Wohnungsrecht umgeht Mietpreisbremse


Wenn notarielle Verträge die Mietpreisbremse aushebeln
Die Mietpreisbremse soll Mieter vor überhöhten Mieten schützen. Doch was passiert, wenn Vermieter statt eines klassischen Mietvertrags ein sogenanntes dingliches Wohnungsrecht vereinbaren? Mit dieser Frage musste sich das Amtsgericht Pankow in einem aktuellen Urteil auseinandersetzen. Die Entscheidung zeigt: Nicht alle Wohnverhältnisse fallen automatisch unter die Mietpreisbremse.
Der Fall: Brasilianisches Paar gegen deutsche Vermieterpraxis
Ein brasilianisches Ehepaar hatte im April 2021 mit einem Vermieter eine ungewöhnliche Vereinbarung getroffen. Statt eines normalen Mietvertrags wurde vor einem Notar ein dingliches Wohnungsrecht an einer Wohnung bestellt. Das bedeutet: Die Bewohner erhielten ein im Grundbuch eingetragenes Recht, die Wohnung zu nutzen. Dafür zahlten sie ein monatliches Nutzungsentgelt, das sich jährlich erhöhte.
Das Besondere an diesem Fall: Die Vereinbarung sah vor, dass das Wohnungsrecht bis Ende 2028 gültig sein sollte. Die Nutzer zahlten zunächst monatlich knapp 1.000 Euro, mit jährlichen Steigerungen auf über 1.000 Euro.
Was ist ein dingliches Wohnungsrecht?
Ein dingliches Wohnungsrecht ist rechtlich etwas völlig anderes als ein Mietvertrag. Es handelt sich um eine sogenannte beschränkt persönliche Dienstbarkeit nach Paragraf 1093 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Dieses Recht wird ins Grundbuch eingetragen und gewährt dem Berechtigten das Recht, eine Immobilie oder Teile davon zu bewohnen.
Der entscheidende Unterschied zum Mietvertrag: Ein dingliches Wohnungsrecht ist ein Sachenrecht, kein Schuldrecht. Das bedeutet, es wirkt nicht nur zwischen den Vertragspartnern, sondern gegenüber jedem künftigen Eigentümer der Immobilie. Gleichzeitig gelten die mietrechtlichen Schutzvorschriften grundsätzlich nicht.
Mietpreisbremse versus Wohnungsrecht
Die beauftragten Rechtsvertreter des Paares argumentierten, die Vereinbarung sei ein verkappter Mietvertrag. Ihrer Ansicht nach wollte der Vermieter durch die ungewöhnliche Gestaltung die Mietpreisbremse umgehen. Sie verlangten Auskunft über frühere Mieten der Wohnung und die Rückzahlung angeblich zu viel gezahlter Beträge.
Das Gericht sah das anders. Die Mietpreisbremse gilt nur bei echten Mietverträgen über Wohnraum. Da die Parteien bewusst ein dingliches Wohnungsrecht vereinbart hatten, fanden die Regelungen der Mietpreisbremse keine Anwendung.
Wann liegt ein Umgehungsgeschäft vor?
Trotzdem kann ein dingliches Wohnungsrecht in Einzelfällen als unzulässiges Umgehungsgeschäft bewertet werden. Das Gericht stellte klar: Wer behauptet, eine solche Vereinbarung diene nur dazu, die Mietpreisbremse zu umgehen, muss das auch beweisen können.
Im vorliegenden Fall reichte es nicht aus, dass die Nutzer brasilianische Staatsangehörige waren und bei der notariellen Beurkundung einen Dolmetscher benötigten. Entscheidend ist, ob die Vertragsgestaltung erkennbar nur der Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften dient.
Die Rolle des Notars als Schutz
Das Gericht betonte die wichtige Funktion des Notars bei solchen Vereinbarungen. Notare haben eine Warn- und Beratungspflicht und müssen die Beteiligten über die rechtlichen Folgen ihrer Entscheidung aufklären. Da die Vereinbarung ordnungsgemäß notariell beurkundet wurde, sah das Gericht keinen Anhaltspunkt für eine Umgehungsabsicht.
Praktische Bedeutung für Mieter und Vermieter
Die Entscheidung macht deutlich: Nicht jede Wohnnutzung gegen Entgelt ist automatisch ein Mietverhältnis. Vermieter können grundsätzlich alternative Vertragsgestaltungen wählen, auch wenn diese für Nutzer weniger vorteilhaft sind.
Für Wohnungssuchende bedeutet das: Bei ungewöhnlichen Vertragsangeboten sollten sie besonders aufmerksam sein. Ein dingliches Wohnungsrecht bietet nicht den gleichen Schutz wie ein Mietvertrag. Es gibt beispielsweise keine Kündigungsschutzbestimmungen oder Regelungen zur Mieterhöhung.
Grenzen der kreativen Vertragsgestaltung
Allerdings sind solche Gestaltungen nicht grenzenlos möglich. Wenn eine Vereinbarung offensichtlich nur dazu dient, Mieterrechte zu umgehen, können Gerichte sie als unwirksam bewerten. Die Hürden für den Nachweis eines Umgehungsgeschäfts sind jedoch hoch.
Betroffene müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorbringen, dass die gewählte Vertragsform missbräuchlich verwendet wird. Allgemeine Vermutungen oder die Unkenntnis der rechtlichen Unterschiede reichen dafür nicht aus.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Das Urteil des AG Pankow zeigt: Die Mietpreisbremse hat Grenzen. Wer eine Wohnung sucht, sollte Verträge genau prüfen und sich bei ungewöhnlichen Gestaltungen rechtlich beraten lassen. Ein dingliches Wohnungsrecht kann in bestimmten Situationen durchaus sinnvoll sein, bietet aber nicht die gewohnten Mieterrechte.
Für Vermieter verdeutlicht die Entscheidung, dass alternative Vertragsgestaltungen möglich sind. Allerdings müssen sie sachlich begründet und transparent sein. Eine reine Umgehungsabsicht kann rechtliche Konsequenzen haben.
Für die Rechtspraxis ist das Urteil ein weiterer Baustein in der Diskussion um die Reichweite der Mietpreisbremse. Es zeigt, dass die Vorschrift eng ausgelegt wird und nur bei echten Mietverhältnissen greift.
Ausblick und Empfehlungen
Die Entscheidung dürfte nicht die letzte zu diesem Thema bleiben. Mit steigenden Mieten und verschärften Regelungen werden Vermieter weiterhin nach Alternativen suchen. Gleichzeitig werden Mietervertreter versuchen, den Anwendungsbereich der Schutzvorschriften auszuweiten.
Wohnungssuchende sollten sich vor Vertragsabschluss umfassend informieren und bei Unsicherheiten professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Nur so können sie erkennen, welche Rechte und Pflichten sie mit ihrer Unterschrift eingehen.
Das Berliner Amtsgericht hat mit seiner Entscheidung klargestellt: Kreative Vertragsgestaltungen sind erlaubt, solange sie nicht ausschließlich der Umgehung von Schutzvorschriften dienen. Die Beweislast für ein Umgehungsgeschäft liegt dabei bei demjenigen, der es behauptet.
Quelle: AG Pankow, Urteil vom 12.03.2025 - 2 C 5016/24
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