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Keine Sachverständigengutachten vor Mieterhöhung

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Das Mieterhöhungsverfahren folgt klaren Regeln. Vermieter können nicht einfach vorab Gutachten zur ortsüblichen Vergleichsmiete erstellen lassen, um späteren Streit zu vermeiden.
Geschäftsmann kalkuliert mit Taschenrechner eine Mieterhöhung
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Sachverhalt: Vermieter wollten Gutachten vor Mieterhöhung

In Berlin vermieteten Eigentümer eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Ende 2023 forderten sie ihren Mieter zur Zustimmung einer Mieterhöhung auf. Der Mieter verweigerte seine Zustimmung und stellte die zur Begründung angeführten wohnwerterhöhenden Merkmale in Frage.

Daraufhin wandten sich die Vermieter an das Amtsgericht. Sie beantragten ein selbständiges Beweisverfahren mit einem schriftlichen Sachverständigengutachten. Dieses sollte 18 verschiedene Fragen zu den Merkmalen der Mietwohnung klären. Die Vermieter hofften, durch das vorab eingeholte Gutachten späteren Rechtsstreit zu vermeiden.

Das Problem mit dem vorgezogenen Gutachten

Das Amtsgericht wies den Antrag als unzulässig zurück. Die Begründung: Bei den Beweisfragen handele es sich um reine Tatsachenfeststellungen, die durch einfache Besichtigung geklärt werden könnten. Ein aufwendiges Sachverständigenverfahren sei dafür nicht nötig.

Auch das Landgericht Berlin bestätigte diese Entscheidung und verwies den Fall an den Bundesgerichtshof weiter. Der Grund: Die grundsätzliche Frage der Zulässigkeit solcher Beweisverfahren zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete war noch nicht höchstrichterlich geklärt.

Streitpunkt: Wann ist ein selbständiges Beweisverfahren zulässig?

Im Zentrum stand die Frage nach dem "rechtlichen Interesse" gemäß Zivilprozessordnung. Ein selbständiges Beweisverfahren ist nur dann zulässig, wenn eine Partei ein berechtigtes Interesse an der Feststellung bestimmter Tatsachen hat. Dieses Interesse muss dazu dienen, einen späteren Rechtsstreit zu vermeiden.

Die Vermieter argumentierten, sie hätten ein solches Interesse an der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete und der relevanten Wohnwertmerkmale. Mit einem vorab eingeholten Gutachten könnten sie fundiert begründen, warum eine Mieterhöhung gerechtfertigt sei.

Die Gegenseite sah das anders: Ohne konkretes Mieterhöhungsverlangen fehle es an einem schutzwürdigen Interesse. Zudem sei unklar, für welchen Stichtag die ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt werden müsse.

BGH-Entscheidung: Keine Umgehung des Mieterhöhungsverfahrens

Der Bundesgerichtshof gab den unteren Instanzen recht und wies die Rechtsbeschwerde der Vermieter zurück. Die höchsten Zivilrichter stellten klar: Ein rechtliches Interesse an selbständigen Beweisverfahren zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete besteht grundsätzlich nicht.

Begründung des Gerichts im Detail

Das Gericht führte mehrere gewichtige Argumente an:

Erstens: Die Durchführung solcher Verfahren lasse sich nicht mit der Ausgestaltung des gesetzlichen Mieterhöhungsverfahrens vereinbaren. Der Gesetzgeber habe in den Paragrafen 558 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein ausgefeiltes System geschaffen, das bereits ausreichend Schutz vor unnötigen Rechtsstreitigkeiten biete.

Zweitens: Das Mieterhöhungsverfahren folge klaren zeitlichen Abläufen. Vermieter müssen bestimmte Wartefristen einhalten und dem Mieter eine Überlegungsfrist von zwei Monaten einräumen. Ein vorab eingeholtes Gutachten würde diese Schutzfristen für Mieter unterlaufen.

Drittens: Bei vorzeitigen Gutachten müssten sich Mieter bereits äußern, bevor sie überhaupt ein konkretes Mieterhöhungsverlangen erhalten haben. Dies widerspreche dem Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen.

Kostenaspekt spielt wichtige Rolle

Ein weiterer wichtiger Punkt: Normalerweise trägt der Vermieter die Kosten für Sachverständigengutachten zur Begründung von Mieterhöhungen selbst. Durch ein selbständiges Beweisverfahren könnte er diese Kosten auf den Mieter abwälzen. Dies entspricht nicht dem vom Gesetzgeber beabsichtigten ausgewogenen Interessenausgleich zwischen Mietern und Vermietern.

Das Mieterhöhungsverfahren bietet bereits ausreichend Schutz

Der BGH betonte, dass das bestehende Mieterhöhungsverfahren bereits umfassende Möglichkeiten zur Streitvermeidung biete:

Vermieter können gemeinsam mit einem Sachverständigen die Wohnung besichtigen, um deren Beschaffenheit realistisch zu bewerten. Die Begründungspflicht für Mieterhöhungen ermöglicht es Mietern, die Berechtigung zu prüfen und fundiert zu entscheiden.

Zusätzlich stehen verschiedene Begründungsmittel zur Verfügung: Sachverständigengutachten, qualifizierte Mietspiegel oder Vergleichsmieten ähnlicher Wohnungen. Diese Vielfalt sorgt für Flexibilität und angemessene Beweismöglichkeiten.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Vermieter: Sie können nicht mehr durch vorgezogene Gutachten das ordentliche Mieterhöhungsverfahren umgehen. Wer eine Mieterhöhung durchsetzen möchte, muss sich an die gesetzlich vorgegebenen Abläufe und Fristen halten. Die Kosten für Sachverständigengutachten zur Begründung von Mieterhöhungen bleiben beim Vermieter.

Für Mieter: Das Urteil stärkt ihre verfahrensrechtliche Position erheblich. Sie müssen sich nicht mehr mit vorzeitigen Gutachtenverfahren auseinandersetzen, sondern können in Ruhe abwarten, bis ein konkretes Mieterhöhungsverlangen vorliegt. Erst dann beginnen die gesetzlichen Fristen zu laufen.

Praktische Auswirkungen: Gerichte werden entsprechende Anträge von Vermietern künftig regelmäßig ablehnen. Das schafft Rechtssicherheit und verhindert Umgehungsversuche des Mieterhöhungsverfahrens.

Bedeutung für die Rechtspraxis

Die Entscheidung beendet eine kontroverse Diskussion in der juristischen Fachwelt. Bisher waren die Gerichte uneinheitlich vorgegangen. Manche Landgerichte hatten solche Verfahren zugelassen, andere abgelehnt.

Der BGH sorgt nun für bundesweit einheitliche Rechtsprechung. Vermieter müssen ihre Strategien anpassen und können nicht mehr durch geschickte Verfahrenswahl Vorteile erlangen.

Ausblick und Empfehlungen

Das Urteil macht deutlich, dass der Gesetzgeber das Mieterhöhungsverfahren bewusst ausgewogen gestaltet hat. Beide Seiten - Mieter und Vermieter - haben faire Chancen, ihre Interessen zu wahren.

Vermieter sollten: Mieterhöhungen sorgfältig vorbereiten, bevor sie das förmliche Verlangen stellen. Eine gründliche Marktanalyse und professionelle Begutachtung im Vorfeld bleiben weiterhin möglich und sinnvoll.

Mieter können: Beruhigt abwarten, bis ein konkretes Mieterhöhungsverlangen vorliegt. Dann haben sie ausreichend Zeit, die Berechtigung zu prüfen und gegebenenfalls fachkundigen Rat einzuholen.

Die Entscheidung trägt zu mehr Rechtssicherheit im Mietrecht bei und verhindert eine weitere Komplizierung des ohnehin schon vielschichtigen Mieterhöhungsverfahrens. Das kommt letztendlich beiden Seiten zugute, da es die Planbarkeit erhöht und unnötige Verfahrenskosten vermeidet.


Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15. Juli 2025 - VIII ZB 69/24

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