Mieterhöhung: Darf der Vermieter sein Verlangen nachträglich reduzieren?


Der Fall: Wenn die ursprüngliche Forderung zu hoch war
In einem aktuellen Fall aus Nürnberg ging es um eine Wohnung aus dem Jahr 1969. Die Vermieterin hatte zunächst eine deutliche Mieterhöhung gefordert und dabei bestimmte positive Ausstattungsmerkmale der Wohnung berücksichtigt. Als die Mieter nicht zustimmten, klagte sie vor Gericht, allerdings mit einer reduzierten Forderung, bei der sie diese Ausstattungsmerkmale nicht mehr einrechnete.
Die zentrale Frage war: Durfte die Vermieterin ihre Forderung einfach so reduzieren, oder hätte sie ein komplett neues Mieterhöhungsverfahren starten müssen?
Die Rechtsgrundlagen verstehen
Was ist ein Mieterhöhungsverlangen?
Ein Mieterhöhungsverlangen ist der formelle Antrag eines Vermieters, die Miete zu erhöhen. Dieser muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, nämlich die schriftliche Form, wobei Textform bereits ausreicht, eine ordnungsgemäße Begründung der Erhöhung, einen Verweis auf die ortsübliche Vergleichsmiete sowie die Einhaltung bestimmter gesetzlicher Fristen.
Die gesetzlichen Regelungen
Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt in den Paragraphen 558 ff., wie Mieterhöhungen ablaufen müssen. Dabei sind zwei Aspekte besonders wichtig. Zum einen können Mieter einem Erhöhungsverlangen auch nur teilweise zustimmen. Das ist ein wichtiger Unterschied zu anderen Rechtsgeschäften, bei denen eine teilweise Annahme normalerweise als Ablehnung gilt. Zum anderen gibt es klare Fristen und Verfahrensregeln: Nach einem Mieterhöhungsverlangen haben Mieter bestimmte Bedenkzeiten, und Vermieter müssen Klagefristen beachten.
Das Urteil des BGH: Ermäßigung ist zulässig
Die Entscheidung im Detail
Der Bundesgerichtshof entschied eindeutig: Vermieter dürfen ihr Mieterhöhungsverlangen auch noch während des Gerichtsverfahrens reduzieren, ohne dass dadurch neue Fristen beginnen oder ein neues Verfahren erforderlich wird. Diese Entscheidung basiert auf mehreren wichtigen Überlegungen, die das Gericht ausführlich dargelegt hat.
Besonderheiten des Mieterhöhungsverfahrens
Das Gericht betonte, dass das Mieterhöhungsverfahren eigene Regeln hat, die von den allgemeinen Vertragsregeln abweichen. Während normalerweise bei Vertragsverhandlungen bestimmte Bindungswirkungen gelten, sind im Mietrecht flexiblere Lösungen vorgesehen.
Der Grund: Der Gesetzgeber wollte gütliche Einigungen fördern und unnötige Prozesse vermeiden. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn Vermieter gezwungen wären, bei jeder Änderung ihrer Forderung ein komplett neues Verfahren zu starten.
Schutz der Mieterinteressen gewährleistet
Das Gericht prüfte auch, ob Mieter durch diese Regelung benachteiligt werden könnten. Das Ergebnis: Mieter werden nicht schlechter gestellt. Die wichtigsten Aspekte dabei sind, dass Mieter bereits mit dem ersten Erhöhungsschreiben alle nötigen Informationen zur Prüfung erhalten, eine Reduzierung der Forderung nur zu ihren Gunsten sein kann und neue Prüfungsfristen nicht sinnvoll wären, da sich die Grundlagen nicht ändern.
Praktische Auswirkungen: Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Mieter: Mehr Flexibilität bei Verhandlungen
Für Mieter ergeben sich sowohl positive Aspekte als auch wichtige Punkte, die zu beachten sind. Die positiven Entwicklungen umfassen die Tatsache, dass Vermieter während Verhandlungen oder im Prozess ihre Forderung reduzieren können, was zu schnelleren Einigungen führen kann und geringere Verfahrenskosten zur Folge haben könnte.
Mieter sollten jedoch weiterhin jedes Mieterhöhungsverlangen sorgfältig auf seine Berechtigung prüfen, die Möglichkeit zur teilweisen Zustimmung nutzen, wenn nur ein Teil gerechtfertigt ist, und sich nicht von anfangs hohen Forderungen einschüchtern lassen.
Für Vermieter: Strategische Vorteile
Die neuen Möglichkeiten für Vermieter beinhalten eine flexiblere Verhandlungsführung, keinen Zwang zu unrealistisch hohen Forderungen aus prozessualen Gründen sowie eine mögliche Reduktion von Prozesskosten durch realistische Anpassungen.
Wichtige Grenzen bestehen jedoch weiterhin: Das ursprüngliche Erhöhungsverlangen muss formell korrekt sein, nur Reduktionen sind möglich, keine Erhöhungen, und die Berechtigung der Mieterhöhung muss weiterhin gegeben sein.
Grenzen der Entscheidung: Was bleibt unverändert
Formelle Anforderungen bestehen weiter
Die BGH-Entscheidung ändert nichts an den grundsätzlichen Anforderungen an ein Mieterhöhungsverlangen. Die Begründungspflicht bleibt bestehen, das heißt Vermieter müssen ihre Forderung weiterhin ordnungsgemäß begründen. Ebenso bleiben die gesetzlichen Fristen für Mieterhöhungen unverändert, und die Erhöhung muss weiterhin auf der ortsüblichen Vergleichsmiete basieren.
Nur Ermäßigungen, keine Erhöhungen
Das Urteil erlaubt ausdrücklich nur die Reduzierung einer Forderung. Möchte ein Vermieter seine ursprüngliche Forderung nachträglich erhöhen, muss er nach wie vor ein neues Verfahren starten.
Tipps für die Praxis
Für Mieter
Mieter sollten jedes Mieterhöhungsverlangen gründlich prüfen lassen, am besten von einem Fachmann. Sie sollten sich nicht vor einer teilweisen Zustimmung scheuen, wenn ein Teil der Erhöhung berechtigt ist, und offen für Verhandlungen sein, da Vermieter nun flexibler agieren können. Wichtig ist außerdem, alle Kommunikation schriftlich festzuhalten und zu dokumentieren.
Für Vermieter
Vermieter sollten von Anfang an realistische Einschätzungen und Forderungen stellen, auf eine ordnungsgemäße Begründung des ursprünglichen Verlangens achten und die neue Flexibilität für konstruktive Gespräche nutzen. Bei komplexen Fällen empfiehlt es sich, rechtzeitig eine kompetente Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.
Ausblick: Mehr Rechtssicherheit im Mietrecht
Das BGH-Urteil schafft wichtige Rechtssicherheit in einem häufig strittigen Bereich. Es zeigt, dass der Gesetzgeber und die Gerichte bemüht sind, praktikable Lösungen zu finden, die beiden Seiten gerecht werden.
Die wichtigste Botschaft: Mieterhöhungsverfahren sollen nicht an formalistischen Hindernissen scheitern, sondern zu fairen und praktikablen Lösungen führen. Dies kann beiden Seiten helfen, Zeit, Kosten und Nerven zu sparen.
Fazit
Die Entscheidung des BGH bringt mehr Flexibilität in das Mieterhöhungsverfahren. Vermieter können ihre Forderungen realistisch anpassen, ohne neue Verfahren starten zu müssen. Mieter profitieren von der Möglichkeit schnellerer Einigungen und geringerer Prozessrisiken.
Entscheidend bleibt: Beide Seiten sollten konstruktiv und auf Basis der rechtlichen Möglichkeiten miteinander verhandeln. Ein gründlich begründetes und angemessenes Mieterhöhungsverlangen ist und bleibt die Grundlage für eine erfolgreiche Einigung.
Quelle: BGH, Urteil vom 6. April 2022, Az. VIII ZR 219/20
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