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Mietvertragsende: Wann beginnt die Verjährung von Schadensersatzansprüchen?

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 29. Januar 2025 (Az. XII ZR 96/23) eine wichtige Entscheidung zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen im Mietrecht getroffen. Die Entscheidung betrifft die Frage, wann bei einem einseitigen Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten des Vermieters die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche beginnt.
Briefkasten
Bild von anSICHThoch3 auf Pixabay

Ausgangslage: Gewerbemiete endet früher als geplant

Ein Vermieter hatte Gewerbeflächen inklusive Halle, Lagerbüro und Stellplätze vermietet. Der Mietvertrag verlängerte sich automatisch um jeweils ein Jahr, sofern keine Kündigung mit dreimonatiger Frist erfolgte. Die Mieterin kündigte den Vertrag vorzeitig, nutzte die Räume jedoch noch bis Ende Dezember 2020 weiter. An diesem letzten Tag warf sie die Schlüssel in den Hausbriefkasten des Vermieters ein.

Der Vermieter reagierte prompt und erklärte bereits wenige Tage später schriftlich, dass er die Rückgabe der Schlüssel nicht akzeptiere und nicht empfangsbereit sei. Er befürchtete, durch die Annahme der Schlüssel seine Ansprüche auf weitere Mietzahlungen bis zum regulären Ende des Mietverhältnisses zu verlieren. Erst im Juni des Folgejahres forderte er die Mieterin auf, diverse Mängel und Schäden an den Räumlichkeiten zu beseitigen. Als dies nicht geschah, verlangte er Schadensersatz.

Kernfrage: Wann beginnt die Verjährungsfrist?

Die zentrale Streitfrage lautete: Ab wann verjähren die Schadensersatzansprüche des Vermieters? Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch verjähren solche Ansprüche wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache innerhalb von nur sechs Monaten. Diese kurze Frist beginnt jedoch erst mit dem sogenannten Rückerhalt der Mietsache durch den Vermieter.

Der Vermieter argumentierte, er habe die Mieträume nicht zurückerhalten wollen und dies auch deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Verjährungsfrist könne daher nicht gegen seinen Willen in Gang gesetzt werden. Zudem sei das Mietverhältnis zum Zeitpunkt des Schlüsseleinwurfs noch gar nicht beendet gewesen, weshalb von einem Rückerhalt keine Rede sein könne.

Die Mieterin hielt dagegen, dass der Vermieter durch den Schlüsseleinwurf tatsächlich die volle Kontrolle über die Räume zurückerhalten habe. Sie selbst habe ihren Besitz vollständig aufgegeben und keinen Zugang mehr zu den Mieträumen gehabt. Der Vermieter sei damit in der Lage gewesen, die Räume ungestört zu untersuchen und etwaige Schäden festzustellen.

Entscheidung: Verjährung trotz Protest

Der Bundesgerichtshof gab der Mieterin Recht und bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen. Die Schadensersatzansprüche des Vermieters waren zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verjährt. Die Richter begründeten dies mit mehreren Erwägungen, die für die Praxis von erheblicher Bedeutung sind.

Zunächst stellten die Richter klar, dass ein Rückerhalt der Mietsache im rechtlichen Sinne voraussetzt, dass sich die Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters ändern. Der Vermieter muss die unmittelbare Sachherrschaft über die Räume erlangen, um sich ungestört ein umfassendes Bild von möglichen Veränderungen oder Verschlechterungen machen zu können. Nur so kann er rechtzeitig verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen.

Entscheidend ist nach Ansicht des Gerichts, dass der Mieter seinen Besitz vollständig und eindeutig aufgibt. Eine bloße vorübergehende Besichtigungsmöglichkeit während eines noch bestehenden Mietverhältnisses reicht hingegen nicht aus. Im vorliegenden Fall hatte die Mieterin jedoch durch den Einwurf der Schlüssel in den Hausbriefkasten des Vermieters ihren gesamten Besitz aufgegeben und keinen Zugang mehr zu den Räumen.

Der Wille des Vermieters ist nicht entscheidend

Eine zentrale Aussage des Urteils lautet: Der fehlende Rücknahmewille des Vermieters hindert den Beginn der Verjährungsfrist nicht. Der Bundesgerichtshof betonte, dass die Erlangung des unmittelbaren Besitzes zwar grundsätzlich einen Besitzwillen voraussetzt, dieser aber nicht mit einem Rücknahmewillen gleichzusetzen ist. Es genügt ein nach außen erkennbar gewordener allgemeiner Wille zur Sachbeherrschung.

Im konkreten Fall behielt der Vermieter die Schlüssel, die in seinen Briefkasten geworfen worden waren, und gab sie nicht an die Mieterin zurück. Dies deutet nach Auffassung des Gerichts auf einen Besitzwillen hin. Dem Interesse des Vermieters entspricht es im Regelfall nicht, dass an der Mietsache überhaupt kein unmittelbarer Besitz mehr besteht und ein besitzloser Zustand eintritt. Der Protest des Vermieters richtete sich nach den Feststellungen des Gerichts auch nicht primär gegen die Erlangung des Besitzes, sondern gegen einen möglichen Verlust der Ansprüche auf weitere Mietzahlungen bis zum regulären Ende des Mietverhältnisses.

Verjährung kann vor Vertragsende beginnen

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Urteils betrifft das zeitliche Verhältnis zwischen Rückerhalt und Vertragsende. Der Bundesgerichtshof stellte ausdrücklich fest, dass die Verjährungsfrist auch dann zu laufen beginnt, wenn der Mietvertrag noch nicht beendet ist. Schadensersatzansprüche können folglich bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses verjähren.

Diese Rechtsprechung basiert auf früheren Entscheidungen, wonach der Einwurf von Schlüsseln nach einer Kündigung, aber vor Ablauf der Mietzeit, ausreichen kann, um die Verjährung in Gang zu setzen. Maßgeblich ist allein, dass der Vermieter die tatsächliche Möglichkeit erhält, die Räume ungestört zu untersuchen.

Im vorliegenden Fall begann die sechsmonatige Verjährungsfrist spätestens am achten Januar 2021, als der Vermieter die Schlüssel in seinem Briefkasten vorfand und damit Kenntnis von der vollständigen Besitzaufgabe der Mieterin erlangte. Diese Frist endete somit bereits Anfang Juli 2021. Der Vermieter beantragte den Mahnbescheid jedoch erst Ende August 2021 und damit zu spät.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil hat weitreichende praktische Konsequenzen sowohl für Vermieter als auch für Mieter. Vermieter müssen sich bewusst sein, dass die extrem kurze Verjährungsfrist von nur sechs Monaten bereits mit dem faktischen Rückerhalt der Mieträume zu laufen beginnt. Ein bloßer Protest gegen die Rückgabe schützt nicht vor Verjährung. Wer seine Schadensersatzansprüche sichern will, muss daher innerhalb dieser knappen Frist entweder eine außergerichtliche Einigung erzielen oder gerichtliche Schritte einleiten.

Für Vermieter empfiehlt es sich, unmittelbar nach Erhalt der Schlüssel die Mieträume gründlich zu besichtigen und alle festgestellten Mängel und Schäden detailliert zu dokumentieren. Fotografien und schriftliche Aufzeichnungen sind unverzichtbar. Anschließend sollte umgehend ein konkretes Schadensersatzverlangen gegenüber dem Mieter formuliert werden. Führen Verhandlungen nicht zügig zum Erfolg, bleibt oft nur der Gang zum Gericht, um die Verjährung zu hemmen.

Mieter wiederum können aus diesem Urteil lernen, dass eine vorzeitige Schlüsselrückgabe die Verjährungsfristen in Gang setzt. Wer Gewerbeflächen vorzeitig verlässt und die Schlüssel beim Vermieter abgibt oder einwirft, sollte sich darüber im Klaren sein, dass ab diesem Zeitpunkt die Uhr für mögliche Schadensersatzforderungen tickt. Nach Ablauf von sechs Monaten können etwaige berechtigte Forderungen des Vermieters verjährt sein.

Das Urteil verdeutlicht zudem, dass Vermieter nicht verpflichtet sind, Mieträume jederzeit und sozusagen auf Zuruf zurückzunehmen. Kommt es jedoch tatsächlich zu einer vollständigen Besitzaufgabe durch den Mieter und zur Erlangung der Sachherrschaft durch den Vermieter, spielt die Frage einer etwaigen Rücknahmeverpflichtung für den Verjährungsbeginn keine Rolle mehr. Die tatsächlichen Umstände sind entscheidend, nicht die rechtliche Bewertung einer möglichen Pflicht zur Rücknahme.

Schließlich beseitigt das Urteil eventuelle Unklarheiten bezüglich der Auswirkungen auf andere Ansprüche. Der Rückerhalt der Mietsache und der damit verbundene Beginn der Verjährungsfrist lassen Ansprüche auf ausstehende Mietzahlungen unberührt. Auch werden dadurch keine Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen des Mieters vor Ende der Mietzeit ausgeschlossen. Lediglich die Verjährung von Ansprüchen wegen des Zustands der Mietsache wird beschleunigt.


Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. Januar 2025, Az. XII ZR 96/23

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