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Niedrige Nebenkostenvorauszahlungen sind zulässig

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Vermieter dürfen Vorauszahlungen für Nebenkosten deutlich niedriger ansetzen als die tatsächlich anfallenden Kosten. Eine Pflichtverletzung liegt grundsätzlich nicht vor.
junges Paar am Küchentisch, schauen sich sorgenvoll an
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Hohe Nachzahlungen nach niedrigen Vorauszahlungen

Eine Mieterin hatte 1998 eine Dachgeschosswohnung angemietet und sich zur Zahlung monatlicher Vorauszahlungen für Betriebs- und Heizkosten verpflichtet. Die vereinbarte Summe war jedoch deutlich zu niedrig kalkuliert. Bei der Jahresabrechnung entstanden erhebliche Nachforderungen, die die ursprünglichen Vorauszahlungen um mehr als das Doppelte überstiegen.

Die Mieterin weigerte sich zu zahlen und argumentierte, der Vermieter habe sie über die tatsächlichen Kosten getäuscht. Sie hätte die Wohnung nie angemietet, wenn sie die wahre Höhe der Nebenkosten gekannt hätte. Die Vorinstanzen gaben der Mieterin recht und sahen in dem Verhalten des Vermieters eine Pflichtverletzung.

Landgericht sah Pflichtverletzung des Vermieters

Das Berufungsgericht hatte entschieden, dass Vermieter bei der Vereinbarung von Vorauszahlungen für Nebenkosten eine besondere Sorgfaltspflicht treffen würde. Diese Vorauszahlungen müssten so kalkuliert werden, dass sie zumindest annähernd kostendeckend seien.

Das Gericht führte aus, dass der Vermieter die Gegebenheiten seiner Wohnung normalerweise kenne und daher zu einer seriösen Vorabkalkulation der Nebenkosten in der Lage sein müsse.

Überstiegen die tatsächlichen Kosten die Vorauszahlungen um mehr als 40 Prozent, sei eine Toleranzgrenze überschritten. Im konkreten Fall lag die Überschreitung bei über 100 Prozent. Das Gericht sah darin einen Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Vertragsverhandlungen und sprach der Mieterin Schadensersatz zu.

BGH korrigiert Vorinstanzen grundlegend

Der Bundesgerichtshof widersprach dieser Auffassung deutlich und hob das Urteil auf. Die Karlsruher Richter stellten klar, dass Vermieter grundsätzlich nicht verpflichtet sind, Vorauszahlungen für Nebenkosten kostendeckend zu kalkulieren.

Die Entscheidung begründete das Gericht damit, dass es den Vertragsparteien frei stehe, Vorauszahlungen in beliebiger Höhe zu vereinbaren oder sogar ganz darauf zu verzichten. Das Mietrecht untersage lediglich unangemessen hohe Vorauszahlungen, nicht aber zu niedrige.

Keine Täuschung durch niedrige Vorauszahlungen

Der Begriff "Vorauszahlungen" begründe keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass diese auch nur annähernd kostendeckend sein müssten, so der BGH. Das Wort drücke lediglich aus, dass die vorausbezahlten Beträge bei der späteren Abrechnung zu berücksichtigen seien.

Das Gericht verwies darauf, dass zu den Nebenkosten regelmäßig verbrauchsabhängige Kosten wie Heizung gehörten, die erheblichen Schwankungen unterliegen könnten. Diese seien vom Vermieter weder vorherzusehen noch zu beeinflussen, was eine exakte Vorabkalkulation zusätzlich erschwere.

Ausnahmen nur bei besonderen Umständen

Eine Pflichtverletzung des Vermieters kann nach dem BGH-Urteil nur dann vorliegen, wenn besondere Umstände gegeben sind. Dies wäre etwa der Fall, wenn der Vermieter dem Mieter die Angemessenheit der Vorauszahlungen ausdrücklich zusichert oder diese bewusst zu niedrig bemisst, um über die tatsächliche Mietbelastung zu täuschen.

Solche besonderen Umstände lagen im entschiedenen Fall nicht vor. Die Mieterin hatte zwar behauptet, sie habe sich eine finanzielle Obergrenze gesetzt, die mit den Vorauszahlungen ausgeschöpft gewesen sei. Sie konnte aber nicht belegen, dass sie dies dem Vermieter mitgeteilt hatte oder dass dieser bei ihr die Vorstellung erweckt hätte, die Vorauszahlungen würden die Nebenkosten im Wesentlichen abdecken.

Rechtliche Einordnung der Entscheidung

Die Entscheidung basiert auf den damals gültigen Vorschriften des Mieterhöhungsgesetzes, das inzwischen durch entsprechende Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch abgelöst wurde. Die Grundsätze gelten jedoch unverändert fort.

Das Gericht machte deutlich, dass die Vereinbarung von Vorauszahlungen nicht an eine bestimmte Mindesthöhe gebunden sei, solange nur die gesetzliche Obergrenze für unangemessen hohe Vorauszahlungen beachtet werde. In der Regel sei daher kein Fehlverhalten des Vermieters bei der Vereinbarung niedriger Vorauszahlungen zu sehen.

Praktische Bedeutung für Vermieter

Die Entscheidung stärkt die Position der Vermieter erheblich. Sie müssen bei der Vereinbarung von Nebenkostenvorauszahlungen keine besondere Sorgfaltspflicht beachten und können diese auch deutlich niedriger ansetzen als die zu erwartenden tatsächlichen Kosten.

Vermieter haben daher einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Festlegung von Vorauszahlungen. Sie können diese bewusst niedrig halten, um die Wohnung für Interessenten attraktiver zu machen, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

Allerdings sollten Vermieter beachten, dass hohe Nachforderungen das Verhältnis zum Mieter belasten können. Auch das Risiko von Zahlungsausfällen steigt, wenn die Nachzahlungen unerwartet hoch ausfallen.

Bedeutung für Mieter

Für Mieter bedeutet das Urteil, dass sie sich nicht darauf verlassen können, dass die vereinbarten Vorauszahlungen die tatsächlichen Nebenkosten auch nur annähernd abdecken. Sie müssen bei der Kalkulation ihrer Wohnkosten daher stets mit erheblichen Nachzahlungen rechnen.

Mieter sollten daher vor Vertragsabschluss selbst eine realistische Einschätzung der zu erwartenden Nebenkosten vornehmen. Hilfreich kann es sein, sich über die üblichen Nebenkosten vergleichbarer Wohnungen zu informieren oder den Vermieter nach den Abrechnungen der Vorjahre zu fragen.

Besonders bei älteren Gebäuden oder schlecht gedämmten Wohnungen können die Heizkosten erheblich von den Vorauszahlungen abweichen. Auch die Größe der Wohnung und die Anzahl der Bewohner im Gebäude beeinflussen die Nebenkosten maßgeblich.

Empfehlungen für die Praxis

Für Vermieter empfiehlt es sich trotz der rechtlichen Klarstellung, die Vorauszahlungen nicht völlig unrealistisch niedrig anzusetzen. Eine grobe Orientierung an den tatsächlich zu erwartenden Kosten kann Konflikte mit Mietern vermeiden und die Zahlungsmoral verbessern.

Mieter sollten ihrerseits vor Vertragsabschluss eine realistische Kostenkalkulation vornehmen und nicht allein auf die vereinbarten Vorauszahlungen vertrauen. Das Bilden von Rücklagen für Nebenkostennachzahlungen ist in jedem Fall ratsam.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Das BGH-Urteil schafft Rechtssicherheit in einem wichtigen Bereich des Mietrechts. Vermieter können Vorauszahlungen für Nebenkosten deutlich niedriger ansetzen als die tatsächlichen Kosten, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Eine Pflichtverletzung liegt nur in Ausnahmefällen vor.

Für Mieter bedeutet dies, dass sie bei der Wohnungssuche nicht allein auf die Höhe der vereinbarten Vorauszahlungen vertrauen sollten. Eine realistische Einschätzung der tatsächlichen Nebenkosten ist unerlässlich, um böse Überraschungen bei der Jahresabrechnung zu vermeiden.

Die Entscheidung zeigt auch, wie wichtig es ist, sich bereits vor Vertragsabschluss umfassend über die zu erwartenden Wohnkosten zu informieren. Nur so können Mieter eine fundierte Entscheidung treffen und sich vor finanziellen Belastungen schützen.


Quelle: BGH, Urteil vom 11. Februar 2004 - VIII ZR 195/03

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