Wenn Duschen zur Kündigung führt


Der Fall aus Hamburg zeigt deutliche Grenzen auf
Eine 79-jährige Mieterin und ihr erwachsener Sohn verloren ihre Wohnung, weil sie regelmäßig nachts zwischen 22 Uhr und 6 Uhr für Lärm sorgten. Das Amtsgericht Hamburg gab der Wohnungsbaugenossenschaft recht und bestätigte die außerordentliche Kündigung. Der Grund war nicht etwa ein einmaliger Vorfall, sondern ein über Monate andauerndes Verhalten, das die Nachbarn zur Verzweiflung brachte.
Die Beklagten müssen bis zum 31. Mai 2025 ihre Wohnung räumen. Das Gericht sah in ihrem Verhalten eine schwerwiegende Verletzung der mietvertraglichen Rücksichtnahmepflicht.
Sachverhalt: Wenn das Badezimmer zum Dauerlärm wird
Die Probleme begannen bereits im Jahr 2022. Die Wohnungsbaugenossenschaft erhielt erste Beschwerden von anderen Mietern über nächtliche Ruhestörungen. Was folgte, war eine beispiellose Dokumentation von Lärmbelästigungen, die sich über mehr als ein Jahr hinzogen.
Die Störungen umfassten verschiedene Bereiche:
Von April 2023 bis Juli 2024 protokollierten die Nachbarn akribisch jede Ruhestörung. Dabei ging es nicht um gelegentliches nächtliches Duschen, sondern um ein systematisches Verhalten, das jede Nacht auftrat. Die Mieterin und ihr Sohn duschten und badeten regelmäßig zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens, teilweise über mehrere Stunden hinweg.
Besonders problematisch war das Vollbad-Ritual: Die Beklagten ließen über längere Zeiträume Wasser in die Badewanne einlaufen, was in dem hellhörigen Altbau zu erheblichen Geräuschen führte. Das laute Wasserrauschen, das Scheppern des Duschschlauchs und das Knallen der Wasserhähne störten die Nachbarn beim Schlafen.
Zentrale Streitpunkte: Was ist noch erlaubt?
Das Gericht musste entscheiden, wo die Grenze zwischen erlaubter Wohnungsnutzung und unzumutbarer Ruhestörung verläuft. Dabei spielten mehrere Faktoren eine wichtige Rolle.
Nachtzeit und besondere Schutzwürdigkeit
Das Amtsgericht Hamburg definierte klare Zeiträume für die Rücksichtnahme. Die allgemeine Nachtzeit liegt zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens. Dabei ist die Rücksichtnahme ab 22 Uhr erhöht und zwischen Mitternacht und 6 Uhr deutlich erhöht. Diese Einteilung orientiert sich an der TA-Lärm, einer technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm.
Sozial adäquate Nutzung versus Exzess
Grundsätzlich ist auch nächtliches Duschen erlaubt. Jeder Mieter hat das Recht auf die normale Nutzung seiner Wohnung, auch zur Nachtzeit. Kurzes Duschen, der Toilettengang oder andere notwendige Hygienemaßnahmen sind daher unproblematisch.
Die Beklagten überschritten jedoch deutlich das Maß des Erlaubten. Ihr Verhalten war charakterisiert durch die Regelmäßigkeit, die Dauer und die Lautstärke der Störungen. Zwei bis drei Stunden Baden in der Nacht geht eindeutig zu weit.
Rechtliche Argumente: Hausfrieden und Rücksichtnahmepflicht
Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die mietrechtlichen Grundlagen der gegenseitigen Rücksichtnahme. In einem Mehrfamilienhaus müssen alle Bewohner aufeinander Rücksicht nehmen, damit das Zusammenleben funktioniert.
Verletzung der Rücksichtnahmepflicht
Die Beklagten verletzten ihre mietvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme in schwerwiegender Weise. Das Gericht betonte, dass andere Mieter nicht mehr als unvermeidlich gestört werden dürfen. Die stundenlangen nächtlichen Bäder mit lautem Wassereinlass überschritten diese Grenze bei weitem.
Besonders problematisch bewertete das Gericht, dass die Störungen nicht vereinzelt auftraten, sondern systematisch und regelmäßig. Die Lärmprotokolle zeigten ein Verhalten, als hätten die Beklagten keine Nachbarn oder würden ihre Aktivitäten zu einer Tageszeit ausführen, zu der ein höheres Maß an Geräuschen zu dulden wäre.
Gesundheitliche Einschränkungen als mögliche Rechtfertigung
Die Beklagten argumentierten mit gesundheitlichen Problemen der 79-jährigen Mieterin. Sie leide unter verschiedenen Beschwerden und benötige nachts kalte Bäder wegen kribbelnder Beine. Das Gericht erkannte zwar an, dass gesundheitliche Einschränkungen grundsätzlich bei der Bewertung zu berücksichtigen sind.
Allerdings sah es keinen ausreichenden Zusammenhang zwischen den behaupteten Beschwerden und dem dokumentierten Verhalten. Insbesondere für völlig losgelöste Verhaltensweisen wie nächtliches Staubsaugen oder Möbelrücken gab es keine medizinische Begründung.
Entscheidung und Begründung des Gerichts
Das Amtsgericht Hamburg gab der Räumungsklage statt und bestätigte die außerordentliche Kündigung der Wohnungsbaugenossenschaft. Die Entscheidung basierte auf einer umfassenden Interessenabwägung.
Nachhaltige Störung des Hausfriedens
Das Gericht sah eine nachhaltige Störung des Hausfriedens als erwiesen an. Der Hausfrieden bedeutet die Einhaltung der gegenseitigen Rücksichtnahme, die das Zusammenleben mehrerer Personen in einem Haus überhaupt erst erträglich macht.
Die Beklagten erhielten insgesamt fünf Abmahnungen zwischen April und August 2023. Trotz dieser Warnungen setzten sie ihr störendes Verhalten fort. Die Wohnungsbaugenossenschaft bot mehrfach persönliche Gespräche an, die jedoch von den Beklagten oder ihrem Betreuer abgesagt wurden.
Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses
Bei der Abwägung der Interessen kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Vermieterin die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden konnte. Die Interessen der anderen Hausbewohner an nächtlicher Ruhe überwogen die Interessen der Beklagten an einem Verbleib in der Wohnung.
Das Gericht berücksichtigte dabei auch die gesundheitlichen Belastungen der Nachbarn. Diese litten unter Schlafmangel, wurden regelmäßig aus dem Schlaf gerissen und klagten teilweise über Arbeitsunfähigkeit aufgrund der nächtlichen Störungen.
Räumungsfrist: Soziale Aspekte bei der Vollstreckung
Trotz der bestätigten Kündigung gewährte das Gericht den Beklagten eine Räumungsfrist bis zum 31. Mai 2025. Diese Entscheidung zeigt, dass auch bei berechtigten Kündigungen soziale Aspekte berücksichtigt werden.
Abwägung der Interessen
Bei der Festsetzung der Räumungsfrist wog das Gericht verschiedene Faktoren ab. Einerseits das berechtigte Interesse der Vermieterin und der anderen Mieter an der sofortigen Beendigung der Störungen, andererseits die persönliche Situation der Beklagten.
Das hohe Alter der Hauptmieterin, ihre gesundheitlichen Einschränkungen und die langjährige Mietdauer sprachen für eine angemessene Übergangsfrist. Das Gericht sah in der Gewährung von mehreren Monaten einen fairen Kompromiss zwischen allen Interessen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil hat weitreichende Bedeutung für das Mietrecht und zeigt klare Grenzen für das Verhalten in Mietwohnungen auf.
Für Mieter: Rücksichtnahme ist Pflicht
Als Mieter sollten Sie sich bewusst machen, dass Ihre Wohnungsnutzung Grenzen hat. Kurzes nächtliches Duschen oder der Toilettengang sind völlig normal und erlaubt. Problematisch wird es erst bei exzessivem Verhalten.
Vermeiden Sie nächtliche Hausarbeiten wie Staubsaugen, Wäsche waschen oder Möbelrücken zwischen 22 Uhr und 6 Uhr. Falls Sie aus beruflichen Gründen ungewöhnliche Arbeitszeiten haben, sprechen Sie mit Ihren Nachbarn und finden Sie gemeinsam Lösungen.
Bei gesundheitlichen Problemen, die nächtliche Aktivitäten erfordern, suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Vermieter. Oft lassen sich durch Aufklärung und gegenseitiges Verständnis Konflikte vermeiden.
Für Vermieter: Dokumentation ist entscheidend
Das Hamburger Urteil zeigt, wie wichtig eine sorgfältige Dokumentation von Ruhestörungen ist. Die Wohnungsbaugenossenschaft führte über Monate hinweg detaillierte Lärmprotokolle, die vor Gericht als Beweismittel dienten.
Reagieren Sie frühzeitig auf Beschwerden von Mietern und sprechen Sie Abmahnungen aus. Bieten Sie Gespräche an und dokumentieren Sie auch deren Absage. Dies kann später bei einer eventuellen Kündigung wichtig werden.
Besondere Schutzwürdigkeit der Nachtzeit
Das Urteil unterstreicht die besondere Bedeutung der Nachtruhe. Zwischen Mitternacht und 6 Uhr morgens ist die Rücksichtnahmepflicht deutlich erhöht. In dieser Zeit sollten nur wirklich notwendige Aktivitäten stattfinden.
Grenzen der Toleranz
Auch in hellhörigen Altbauten gibt es Grenzen der Toleranz. Zwar müssen Mieter grundsätzlich mit mehr Geräuschen rechnen, dies rechtfertigt aber keine stundenlangen nächtlichen Störungen.
Das Hamburger Urteil zeigt: Gegenseitige Rücksichtnahme ist die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben im Mehrfamilienhaus. Wer diese Grenzen dauerhaft überschreitet, muss mit mietrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen.
Quelle: AG Hamburg, Urteil vom 11.02.2025 - 21 C 344/24
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