Einberufung einer WEG-Versammlung durch Nichtberechtigte


Der Fall aus der Praxis
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft sollte ein neuer Verwalter bestellt werden. Noch bevor dies geschah, lud die künftige Verwaltungsgesellschaft bereits zur Eigentümerversammlung ein und führte diese durch. In dieser Versammlung wurde mehrheitlich beschlossen, dass ein Eigentümer nachträglich eine Sauna, einen Abstellschuppen und einen Gartendurchgang auf Basis eines Sondernutzungsrechts errichten darf.
Mehr als ein Jahr später klagten unzufriedene Eigentümer gegen diesen Beschluss. Ihr Argument: Die Verwaltungsgesellschaft war zum Zeitpunkt der Einladung noch gar nicht offiziell als Verwalterin bestellt und damit nicht berechtigt, zur Versammlung einzuladen. Deshalb müsse der Beschluss nichtig sein.
Wer darf zur Eigentümerversammlung einladen?
Nach dem Wohnungseigentumsgesetz ist grundsätzlich nur der bestellte Verwalter berechtigt, Eigentümerversammlungen einzuberufen. Dies ergibt sich aus den Paragrafen 24 Absatz 1 und 2 des Wohnungseigentumsgesetzes. Eine nicht bestellte Verwaltungsgesellschaft hat diese Befugnis zunächst nicht.
Die zentrale Rechtsfrage lautete daher: Führt die Einberufung durch eine nicht berechtigte Person automatisch zur Nichtigkeit aller in der Versammlung gefassten Beschlüsse?
Das Gericht entscheidet für mehr Flexibilität
Das Landgericht Lüneburg urteilte überraschend eigentümerfreundlich und wies die Klage ab. Die Richter machten deutlich, dass zwischen verschiedenen Arten von Verfahrensfehlern unterschieden werden muss.
Die Einberufung durch eine nicht berechtigte Person führt demnach nicht zur Nichtigkeit der Beschlüsse, sondern macht diese lediglich anfechtbar. Ein wesentlicher Unterschied: Anfechtbare Beschlüsse werden nach Ablauf der gesetzlichen Frist von einem Monat bestandskräftig und können dann nicht mehr angegriffen werden.
Warum das Gericht so entschied
Das Landgericht führte mehrere überzeugende Argumente für seine Entscheidung an. Zunächst stellten die Richter fest, dass Verfahrensfehler nur in Ausnahmefällen zur Nichtigkeit führen sollten. Dies gelte besonders dann, wenn die einberufende Person "potentiell berechtigt" war - wie hier die künftige Verwalterin.
Entscheidend war auch das Verhalten der Eigentümer während und nach der Versammlung. Bei der strittigen Versammlung waren mit über 80 Prozent der Eigentumsanteile eine deutliche Mehrheit der Eigentümer anwesend oder vertreten. Niemand hatte der Durchführung widersprochen, auch nicht der Verwaltungsbeirat, zu dem sogar einer der späteren Kläger gehörte.
Vertrauensschutz geht vor
Besonders bemerkenswert ist die Begründung des Gerichts zum Vertrauensschutz. Die Richter betonten, dass Eigentümer nach längerer Zeit darauf vertrauen können müssen, dass gefasste Beschlüsse Bestand haben. Wer sich durch Verfahrensfehler benachteiligt sieht, muss zeitnah handeln und darf nicht über ein Jahr warten.
"Umgekehrt besteht auch für diejenigen Eigentümer, die nach längerem Zeitablauf auf die Wirksamkeit von Beschlüssen vertrauen, ein Schutzbedürfnis", so die Richter wörtlich.
Verstärkt wurde dieser Aspekt dadurch, dass die Eigentümergemeinschaft in einer späteren Versammlung den ursprünglichen Beschluss als bestandskräftig behandelt hatte, ohne dass jemand widersprochen hätte.
Grenzen der Toleranz
Das Gericht machte aber auch deutlich, wo die Grenzen liegen. Anders könnte die Rechtslage sein, wenn nicht nur eine nicht berechtigte Person die Versammlung einberuft, sondern gleichzeitig auch die Teilnahme- und Mitwirkungsrechte der Eigentümer beschnitten werden. Ebenso problematisch wäre ein kollusives Zusammenwirken, also eine bewusste Manipulation.
Solche erschwerenden Umstände lagen hier jedoch nicht vor. Die Versammlung fand ordnungsgemäß statt, alle Eigentümer konnten teilnehmen und ihre Rechte ausüben.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil bringt mehr Rechtssicherheit in den Alltag von Wohnungseigentümergemeinschaften. Kleine Verfahrensfehler bei der Einberufung führen nicht sofort zum Kollaps aller Beschlüsse. Allerdings müssen unzufriedene Eigentümer nun noch genauer auf Fristen achten.
Für die Praxis ergeben sich folgende Konsequenzen: Wer einen Beschluss wegen Verfahrensfehlern angreifen möchte, sollte dies umgehend tun und nicht länger warten. Die einmonatige Anfechtungsfrist läuft ab dem Zeitpunkt, in dem der Eigentümer von dem Beschluss Kenntnis erlangt hat.
Gleichzeitig können Eigentümergemeinschaften darauf vertrauen, dass nicht jeder kleine Formfehler ihre mühsam errungenen Mehrheitsentscheidungen zunichte macht. Dies fördert die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaften und verhindert endlose Rechtsstreitigkeiten über Verfahrensfragen.
Verwaltungen sollten dennoch sorgfältig darauf achten, dass nur berechtigte Personen zu Versammlungen einladen. Auch wenn das Urteil Toleranz zeigt, bleibt die ordnungsgemäße Einberufung der Goldstandard und vermeidet unnötige Diskussionen.
Quelle: LG Lüneburg, Urteil vom 04.03.2025 - 9 S 28/24
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