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Fiktive Mängelbeseitigung beim Wohnungskauf

Der beste Anwalt für Mietrecht
Beim Kauf einer mangelhaften Immobilie können Sie als Käufer Schadensersatz verlangen, ohne die Mängel vorher beseitigen zu müssen. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass Sie die voraussichtlichen Reparaturkosten geltend machen dürfen – auch wenn Sie die Arbeiten noch gar nicht durchführen lassen haben.
Paar mittleren Alters steht vor eine Wand mit Feuchtigkeitsschaden
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Feuchtigkeit im Schlafzimmer

Die Käufer erwarben eine Eigentumswohnung mit notariellem Kaufvertrag. Obwohl die Sachmängelhaftung grundsätzlich ausgeschlossen war, verpflichtete sich der Verkäufer zu bestimmten Arbeiten. In der Vereinbarung hieß es ausdrücklich, dass der Verkäufer Feuchtigkeit im Schlafzimmer auf eigene Kosten beheben müsse, falls diese bis Ende 2015 erneut auftreten sollte. Genau das geschah: Ende 2014 zeigte sich Feuchtigkeit in dem Raum.

Die Käufer forderten den Verkäufer unter Fristsetzung zur Beseitigung auf, doch dieser blieb untätig. Daraufhin klagten die Käufer auf Zahlung der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten, ohne dass sie die Arbeiten bereits hatten durchführen lassen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte die Käufer ermächtigt, auch die Schäden am Gemeinschaftseigentum beseitigen zu lassen.

Die rechtliche Ausgangslage

Das Berufungsgericht stellte fest, dass der Verkäufer nach kaufrechtlichen Grundsätzen haftet. Die vertragliche Regelung zur Feuchtigkeit war keine werkvertragliche Herstellungsverpflichtung, sondern Teil der Sachmängelhaftung beim Kaufvertrag. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass im Kaufrecht andere Regeln gelten als im Bauvertragsrecht.

Nach fruchtloser Fristsetzung steht dem Käufer grundsätzlich Schadensersatz statt der Leistung zu. Die zentrale Frage war: Kann dieser Schadensersatz anhand der noch nicht aufgewendeten, also fiktiven Mängelbeseitigungskosten berechnet werden? Oder muss der Käufer erst selbst in Vorleistung gehen und die Mängel beseitigen lassen?

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof bestätigte die Auffassung der Vorinstanzen und hielt an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Beim Kaufvertrag kann der Schadensersatzanspruch anhand der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten bemessen werden, auch wenn diese noch nicht tatsächlich aufgewendet wurden. Es ist dabei unerheblich, ob der Mangel später tatsächlich beseitigt wird.

Keine Vorfinanzierungspflicht für Käufer

Die zentrale Begründung des Gerichts: Es wäre dem Käufer nicht zuzumuten, die Mängelbeseitigung vorzufinanzieren. Im Kaufrecht gibt es kein Selbstvornahmerecht mit Vorschussanspruch, wie es im Werkvertragsrecht vorgesehen ist. Der Käufer würde nach der klaren gesetzlichen Regelung gezwungen, Nachteile und Risiken der Vorfinanzierung zu tragen, obwohl der Verkäufer seine Pflichten nicht erfüllt hat. Ein solches Ergebnis wäre nicht vertretbar.

Die Schadensbemessung erfolgt anhand der Kosten für die ausgefallene Nacherfüllung, für die der Käufer nunmehr selbst sorgen muss. Diese Kosten werden durch die Mängelbeseitigungskosten zutreffend abgebildet, ohne dass es darauf ankommt, ob sie tatsächlich aufgewendet werden.

Unterschied zum Werkvertragsrecht

Der Bundesgerichtshof grenzte seine Entscheidung ausdrücklich von der Rechtsprechung im Werkvertragsrecht ab. Der für Bauverträge zuständige Senat hatte seine langjährige Rechtsprechung geändert und entschieden, dass beim Werkvertrag der Schaden nur anhand bereits aufgewandter Kosten bemessen werden kann. Diese Änderung lässt sich jedoch nicht auf das Kaufrecht übertragen.

Die Begründung liegt in den unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen. Im Werkvertragsrecht gibt es mit dem Selbstvornahmerecht einen werkvertraglichen Vorschussanspruch, der es dem Besteller ermöglicht, die Mängelbeseitigung vorzufinanzieren. Im Kaufrecht fehlt eine solche Regelung. Außerdem kann der Käufer die Nacherfüllung als unverhältnismäßig zurückweisen, wenn die Kosten in einem krassen Missverhältnis zum Mangel stehen.

Grenzen der Ersatzfähigkeit

Allerdings setzte das Gericht auch klare Grenzen. Die Umsatzsteuer muss nur ersetzt werden, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Dies stellt einen durchlaufenden und abgrenzbaren Posten dar. Auf diese Weise wird ein Gleichlauf mit dem deliktischen Schadensersatzrecht hergestellt.

Zudem gilt: Die Nacherfüllung kann unverhältnismäßig sein, wenn die Mängelbeseitigungskosten den Verkehrswert des Grundstücks in mangelfreiem Zustand oder das Doppelte des mangelbedingten Minderwerts übersteigen. In solchen Fällen kann der Käufer nur den Ersatz des tatsächlichen Minderwerts verlangen, nicht die viel höheren Beseitigungskosten.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Vorteile für Immobilienkäufer

Als Käufer einer mangelhaften Immobilie müssen Sie die Mängelbeseitigung nicht aus eigener Tasche vorfinanzieren. Sie können vom Verkäufer die voraussichtlichen Kosten verlangen, ohne zunächst selbst Handwerker zu beauftragen. Dies gilt besonders bei schwerwiegenden Mängeln wie Feuchtigkeitsschäden, Schadstoffbelastungen oder Schädlingsbefall, die die Nutzbarkeit der Immobilie erheblich beeinträchtigen.

Die Entscheidung gibt Ihnen Planungssicherheit. Sie können Kostenvoranschläge einholen und auf dieser Grundlage Ihre Rechte geltend machen. Erst nach Zahlungseingang durch den Verkäufer müssen Sie sich um die tatsächliche Durchführung der Arbeiten kümmern. Ob und wann Sie die Mängel beseitigen lassen, bleibt Ihnen überlassen.

Praktische Vorgehensweise

Wenn Sie Mängel an Ihrer erworbenen Immobilie feststellen, sollten Sie zunächst prüfen, ob eine Sachmängelhaftung des Verkäufers besteht. Viele Kaufverträge enthalten Haftungsausschlüsse, die jedoch bei arglistigem Verschweigen oder bei besonderen Vereinbarungen nicht greifen. Setzen Sie dem Verkäufer dann eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung.

Nach fruchtlosem Fristablauf können Sie Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Holen Sie dafür qualifizierte Kostenvoranschläge ein, die die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten beziffern. Achten Sie darauf, dass nur die reinen Nettokosten geltend gemacht werden können, sofern Sie nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind. Die Umsatzsteuer können Sie erst fordern, wenn Sie diese tatsächlich an einen Handwerksbetrieb zahlen mussten.

Bedeutung der Unverhältnismäßigkeit

Wichtig ist die Verhältnismäßigkeit zwischen Mängelbeseitigungskosten und dem tatsächlichen Wertverlust der Immobilie. Würden die Reparaturkosten den Wert der mangelfreien Immobilie übersteigen oder mehr als das Doppelte des mangelbedingten Minderwerts betragen, können Sie in der Regel nur den geringeren Minderwert als Schadensersatz verlangen. Diese Begrenzung verhindert eine ungerechtfertigte Bereicherung.

Ein Beispiel: Wenn die fehlende Dachgeschosswohnung Kosten von über zweihunderttausend Euro verursachen würde, der Wertverlust der Immobilie aber nur bei rund sechsundvierzigtausend Euro liegt, wäre die Nacherfüllung unverhältnismäßig. In solchen Fällen könnten Sie nur die geringere Summe als Schadensersatz beanspruchen.

Abgrenzung zum Bauvertrag

Beachten Sie, dass diese Rechtsprechung speziell für Kaufverträge gilt. Wenn Sie ein Haus bauen lassen oder umfassende Umbauarbeiten in Auftrag geben, handelt es sich um einen Werkvertrag. Dort gelten andere Regeln. Bei Werkverträgen müssen Sie die Mängelbeseitigung zunächst durchführen lassen, bevor Sie die Kosten vom Unternehmer ersetzt verlangen können. Allerdings steht Ihnen beim Werkvertrag ein Vorschussanspruch zu, sodass Sie nicht komplett in Vorleistung gehen müssen.

Die Unterscheidung zwischen Kauf- und Werkvertrag kann im Einzelfall schwierig sein, insbesondere beim Erwerb neuerer Immobilien oder bei Werklieferungsverträgen. Lassen Sie sich im Zweifel rechtlich beraten, um Ihre Ansprüche korrekt durchzusetzen.

Besonderheiten bei Wohnungseigentum

Soweit Mängel auch das Gemeinschaftseigentum betreffen, benötigen Sie eine Ermächtigung der Wohnungseigentümergemeinschaft. Im vorliegenden Fall hatten die Käufer einen entsprechenden Beschluss erwirkt. Ihr Schadensersatzanspruch beschränkt sich dann auf Ihren Miteigentumsanteil an den Kosten für das Gemeinschaftseigentum. Die vollständige Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum obliegt grundsätzlich der Eigentümergemeinschaft.

Grundsätze des Urteils

  • Im Kaufrecht kann Schadensersatz statt der Leistung anhand fiktiver, voraussichtlicher Mängelbeseitigungskosten bemessen werden, ohne dass der Käufer die Mängel tatsächlich beseitigen lassen muss
  • Eine Vorfinanzierungspflicht für Käufer ist unzumutbar, da das Kaufrecht kein Selbstvornahmerecht mit Vorschussanspruch wie im Werkvertragsrecht vorsieht
  • Umsatzsteuer ist nur erstattungsfähig, wenn sie tatsächlich angefallen ist
  • Nacherfüllung kann unverhältnismäßig sein, wenn Mängelbeseitigungskosten den Verkehrswert oder das Doppelte des Minderwerts übersteigen
  • Die werkvertragliche Rechtsprechung zu tatsächlich aufgewandten Kosten ist auf Kaufverträge nicht übertragbar

Quelle:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. März 2021, Aktenzeichen V ZR 33/19

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