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Holzbockbefall: Wann greift der Gewährleistungsausschluss?

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Bei einem Immobilienkauf mit vereinbartem Gewährleistungsausschluss können Käufer nur dann Schadensersatz fordern, wenn der Verkäufer sie arglistig getäuscht hat. Diese hohe Hürde zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Hamm deutlich auf.
Dachgeschoss mit Holzbockbefall der Stützbalken, Späne auf dem Dachboden
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Versteckter Schädlingsbefall im Dachstuhl

Ein Ehepaar kaufte im Oktober 2017 ein Einfamilienhaus. Der notarielle Kaufvertrag enthielt einen umfassenden Gewährleistungsausschluss. Bei der Hausübergabe im Mai 2018 war noch alles unauffällig. Doch bereits einen Monat später entdeckten die neuen Eigentümer auf dem Dachboden zahlreiche kleine Holzmehlhaufen - ein untrügliches Zeichen für Hausbockbefall.

Ein Privatgutachter stellte fest: Der Dachstuhl war massiv vom Hausbock befallen. Die Sanierungskosten wurden auf knapp einhunderttausend Euro geschätzt. Zusätzlich entstanden Kosten für eine Ersatzunterkunft während der zweimonatigen Sanierung und die Einlagerung der Möbel.

Die Käufer waren überzeugt: Die Verkäufer mussten von dem Befall gewusst haben. Ihrer Ansicht nach waren bereits vor Vertragsschluss Holzmehlhaufen vorhanden gewesen, die die Verkäufer arglistig verschwiegen hätten.

Die Verkäufer bestreiten jede Kenntnis

Die beklagten Verkäufer widersprachen vehement. Sie behaupteten, während ihrer Besitzzeit habe es auf dem Dachboden keine Holzmehlhaufen gegeben. Von einem Schädlingsbefall hätten sie nichts gewusst.

Das Landgericht wies die Klage ab - zu Recht, wie nun auch das Oberlandesgericht Hamm bestätigte.

Hohe Anforderungen an den Arglistnachweis

Das Gericht machte deutlich: Arglistig handelt ein Verkäufer nur dann, wenn er den Mangel mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt.

Entscheidend ist der sogenannte Eventualvorsatz. Der Verkäufer muss die den Mangel begründenden Umstände zumindest kennen. Dagegen reicht es nicht aus, wenn sich dem Verkäufer aufklärungsbedürftige Tatsachen hätten aufdrängen müssen. Auch ein bewusstes Wegschauen genügt den Anforderungen an die Arglist nicht.

Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Käufer. Er muss beweisen, dass der Verkäufer die notwendige Kenntnis hatte.

Warum der Beweis nicht gelang

Die Käufer konnten nicht beweisen, dass die Verkäufer Kenntnis vom Hausbockbefall hatten. Obwohl Sachverständige bestätigten, dass der Dachstuhl bereits vor Vertragsschluss befallen war, ließ sich daraus nicht ableiten, dass dies für die Verkäufer erkennbar gewesen sein musste.

Entscheidende Faktoren sprachen gegen die Käufer:

Bei der Hausbesichtigung im Oktober 2017 waren keine Anzeichen für einen Befall erkennbar. Auch bei der Übergabe im Mai 2018 war noch nichts zu sehen. Die Holzmehlhaufen entstehen erst, wenn die Hausbockkäfer aus dem Holz schlüpfen.

Der Sachverständige erklärte überzeugend: Hausbocklarven bewegen sich ausschließlich innerhalb des Holzes. Sichtbare Holzmehlhaufen entstehen erst beim Schlupf der ausgewachsenen Käfer. Die Entwicklungsdauer der Larven ist extrem unterschiedlich und kann zwischen drei und vierzehn Jahren betragen.

Hinzu kommt: Die Holzmehlhaufen können auch von anderen Insekten stammen, etwa von Fressfeinden des Hausbocks oder Wespen, die in die Fraßgänge eindringen.

Arglistiger Täuschung schwer nachweisbar

Selbst wenn vor Vertragsschluss zeitweise Spuren des Befalls vorhanden gewesen wären, hätten die Verkäufer diese auf dem unbewohnten und nur als Abstellfläche genutzten Dachboden nicht zwangsläufig bemerkt. Holzmehlhaufen können verwirbeln und mit Staub überlagert werden. Der Hausbock schlüpft zudem nur in der warmen Jahreszeit.

Das Gericht stellte klar: Es ist nicht aufklärbar, ob und in welchem Umfang vor dem Kaufvertrag Anzeichen für den Hausbockbefall vorlagen.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Immobilienkäufer: Ein vereinbarter Gewährleistungsausschluss lässt sich nur in Ausnahmefällen durchbrechen. Arglist muss zweifelsfrei bewiesen werden - Vermutungen reichen nicht. Führen Sie vor dem Kauf eine gründliche Besichtigung durch und beauftragen Sie gegebenenfalls einen Sachverständigen.

Für Immobilienverkäufer: Verschweigen Sie keine bekannten Mängel, auch wenn ein Gewährleistungsausschluss vereinbart ist. Die Rechtsprechung zeigt aber auch: Bloße Fahrlässigkeit oder das Übersehen von Mängeln führt noch nicht zur Arglist.

Generell gilt: Bei älteren Immobilien sollten Käufer stets mit versteckten Mängeln rechnen. Ein Gewährleistungsausschluss schützt Verkäufer vor den meisten Nachforderungen - aber nur, wenn sie ehrlich und aufrichtig handeln.

Das Urteil verdeutlicht einmal mehr: Immobilienkäufe erfordern sorgfältige Vorbereitung und realistische Erwartungen. Wer ein altes Haus kauft, übernimmt grundsätzlich das Risiko für versteckte Mängel - es sei denn, der Verkäufer hat bewusst getäuscht.

Zusammenfassung der rechtlichen Aspekte
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Grundsätze des Urteils

  • Ein Verkäufer handelt arglistig, wenn er einen Sachmangel mindestens für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer diesen nicht kennt.

  • Für die Annahme von Arglist genügt es nicht, dass sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungsbedürftiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen.

  • Auch ein bewusstes Sichverschließen vor Mängeln reicht nicht aus, da Arglist zwingend Kenntnis zumindest in Form des Eventualvorsatzes voraussetzt.

  • Liegt Kenntnis der den Mangel begründenden Umstände vor, ist unerheblich, ob der Verkäufer daraus den rechtlichen Schluss auf einen Mangel zieht.

  • Die Beweislast für das Vorliegen eines arglistigen Verschweigens liegt beim Käufer.


Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 20.01.2025 - 22 U 25/24

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