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Kündigung in Klage unwirksam: Neue Regeln für digitale Zustellung

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Vermieter können nicht unbemerkt in Räumungsklagen kündigen. Das Gericht fordert klare Erkennbarkeit bei elektronischen Kündigungen nach der neuen Rechtslage.
Frau schreibt eine Kündigung auf einem Laptop
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Sachverhalt: Doppelte Kündigung führt zu rechtlichen Problemen

In einem aktuellen Fall ging es um ein ganz alltägliches Problem zwischen Vermietern und Mietern: Zahlungsrückstände bei der Miete. Die Vermieterin hatte bereits im September eine Zahlungsverzugskündigung ausgesprochen, die jedoch wegen unzureichender Begründung unwirksam war. Daraufhin reichte sie eine Räumungsklage ein und sprach in diesem Schriftsatz eine weitere fristlose Kündigung aus.

Die Mieter bewohnten die Wohnung und waren seit April mit der Miete im Rückstand. Die erste Kündigung vom September erfüllte nicht die strengen Anforderungen des Gesetzes und war daher von vornherein unwirksam. Als die Vermieterin dies bemerkte, versuchte sie in der Räumungsklage selbst noch einmal zu kündigen.

In der Klageschrift stellte die Vermieterin zunächst die Beteiligten vor, beschrieb dann die vertraglichen Verhältnisse und führte in einem Abschnitt mit der Überschrift "Zahlungsverzug der Beklagten und Kündigung des Klägers" die Zahlungsrückstände auf. Am Ende dieses Abschnitts erklärte sie dann, ohne besondere Hervorhebung: "Aufgrund der hier aufgeführten Zahlungsrückstände wird hiermit vorsorglich nochmals die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses erklärt."

Neue digitale Rechtslage seit Juli 2024

Das Gericht musste eine wichtige Neuerung im deutschen Recht berücksichtigen: den seit Juli 2024 geltenden Paragrafen 130e der Zivilprozessordnung. Diese Vorschrift soll die digitale Kommunikation zwischen Gerichten und Beteiligten erleichtern und Medienbrüche vermeiden.

Die Grundregel war bisher eindeutig: Kündigungen von Wohnraummietverhältnissen müssen schriftlich erfolgen. Das bedeutete entweder eine handschriftliche Unterschrift oder eine qualifizierte elektronische Signatur. Wichtig ist dabei nicht nur die richtige Form bei der Abgabe, sondern auch beim Zugang beim Empfänger.

Die neue Regelung des Paragrafen 130e ZPO schafft hier eine Ausnahme. Sie besagt vereinfacht: Wenn eine Kündigung "klar erkennbar" in einem elektronisch eingereichten Schriftsatz enthalten ist und dieser dem Empfänger ordnungsgemäß zugestellt wird, dann gelten beide Formvorschriften als erfüllt. Das Gesetz fingiert sowohl die ordnungsgemäße Abgabe als auch den ordnungsgemäßen Zugang.

Streitpunkt: Was bedeutet "klar erkennbar"?

Der entscheidende Streitpunkt lag in der Auslegung des Begriffs "klar erkennbar". Die Vermieterin argumentierte, ihre Kündigung sei eindeutig als solche zu erkennen gewesen. Das Gericht sah dies jedoch anders und entwickelte strenge Maßstäbe für die Erkennbarkeit.

Das Gericht orientierte sich dabei am Verbraucherrecht, wo ähnliche Anforderungen an die "Deutlichkeit" gestellt werden. Eine Kündigung muss demnach so hervorgehoben werden, dass sie bereits beim bloßen Durchblättern ohne weiteres erkennbar ist. Dies kann durch Fettdruck, besondere Überschriften oder die Gestaltung als eigenständiger Gliederungsabschnitt geschehen.

Die Vermieterin hatte ihre Kündigung zwar in einem Abschnitt untergebracht, der von Zahlungsverzug und Kündigung handelte. Dieser Abschnitt diente aber hauptsächlich dazu, die bereits ausgesprochene unwirksame Kündigung zu begründen. Aus der Überschrift ergab sich nicht, dass hier eine neue Kündigung ausgesprochen werden sollte.

Gerichtsentscheidung: Formfiktion greift nicht ein

Das Gericht entschied eindeutig: Die in der Räumungsklage ausgesprochene Kündigung war unwirksam. Obwohl sie bei aufmerksamem Lesen durchaus als Kündigung erkennbar war, fehlte die nach Paragraf 130e ZPO erforderliche klare Erkennbarkeit.

Die Richter stellten fest: "Die Kündigung war weder einziger Inhalt des Schriftsatzes noch war sie durch Fettdruck oder durch eine besondere Überschrift oder als besonderer Gliederungsabschnitt hervorgehoben." Auch die nachträglichen Hinweise von Vermieterin und Gericht auf die Kündigung konnten deren Unwirksamkeit nicht heilen.

Das Gericht betonte, dass die Anforderung der klaren Erkennbarkeit nicht inhaltslos sein dürfe. Würde es genügen, nur die grundsätzlichen Formvorschriften zu beachten, wäre die neue Vorschrift überflüssig. Eine besondere Hervorhebung kann nur dann entbehrlich sein, wenn die Kündigung der einzige Inhalt des gerichtlichen Schriftsatzes ist.

Die Parallele zum Verbraucherrecht zeigt die hohen Anforderungen: Verbraucher müssen vor wichtigen Erklärungen geschützt werden, indem diese deutlich hervorgehoben werden. Ähnlich sollen auch Mieter vor "versteckten" Kündigungen in Gerichtsschriftsätzen geschützt werden.

Praktische Bedeutung für die Rechtspraxis

Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen für Anwälte und Vermieter. Bei elektronisch eingereichten Schriftsätzen müssen Kündigungen künftig besonders hervorgehoben werden, wenn sie wirksam sein sollen. Eine bloße Erwähnung im Fließtext reicht nicht aus.

Für Anwälte bedeutet dies: Kündigungen in Klageschriften müssen optisch herausstechen. Dies kann durch verschiedene Gestaltungsmittel erreicht werden:

Fettdruck der gesamten Kündigungserklärung macht diese sofort erkennbar. Eine eigene Überschrift wie "Hiermit wird gekündigt" oder "Zusätzliche Kündigung" schafft Klarheit. Die Gestaltung als separater, nummerierter Gliederungspunkt hebt die Kündigung vom übrigen Text ab. Auch eine optische Abgrenzung durch Einrückung oder Umrandung kann hilfreich sein.

Das Gericht machte deutlich, dass bereits beim bloßen Durchblättern erkennbar sein muss, dass eine Kündigung ausgesprochen wird. Der Empfänger soll nicht erst bei genauer Lektüre des gesamten Textes erfahren, dass ihm gekündigt wurde.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Mieter können Sie sich darauf verlassen, dass Kündigungen in Gerichtsschriftsätzen klar erkennbar sein müssen. Versteckte oder unauffällige Kündigungen sind unwirksam. Wenn Ihr Vermieter in einer Räumungsklage zusätzlich kündigt, muss dies deutlich hervorgehoben werden.

Prüfen Sie bei Erhalt einer Räumungsklage genau, ob darin eine weitere Kündigung enthalten ist. Diese muss optisch herausstechen und darf nicht im Fließtext versteckt sein. Falls Sie unsicher sind, ob eine Kündigung klar erkennbar war, sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen.

Als Vermieter sollten Sie bei elektronischen Kündigungen in Gerichtsschriftsätzen besondere Sorgfalt walten lassen. Eine zusätzliche Kündigung in der Räumungsklage kann sinnvoll sein, wenn die ursprüngliche Kündigung unwirksam war. Diese muss aber den strengen Anforderungen an die klare Erkennbarkeit genügen.

Die Entscheidung zeigt auch, wie wichtig es ist, bereits die erste Kündigung sorgfältig zu formulieren. Eine unwirksame Kündigung kann nicht einfach durch eine weitere Kündigung in der Klage "repariert" werden, wenn diese nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Die neue Rechtslage seit Juli 2024 eröffnet zwar neue Möglichkeiten für die digitale Kommunikation, stellt aber auch höhere Anforderungen an die Gestaltung von Kündigungen. Beide Seiten sollten sich über diese veränderten Rahmenbedingungen im Klaren sein und entsprechend handeln.

Grundsätze des Urteils

  • Eine in einem elektronischen Gerichtsschriftsatz erklärte Mietkündigung ist gemäß § 130e ZPO nur wirksam, wenn sie als solche klar erkennbar ist.

  • Die Kündigungserklärung muss optisch so hervorgehoben sein, dass sie bereits beim bloßen Durchblättern ins Auge fällt, etwa durch Fettdruck, separate Überschriften oder eigene Gliederungspunkte.

  • Eine bloße Erwähnung der Kündigung im Fließtext ohne grafische Abhebung genügt dem gesetzlichen Erfordernis der klaren Erkennbarkeit nicht.

  • Wird die erforderliche Hervorhebung versäumt, greift die Fiktion der Schriftformwahrung nicht ein und die Kündigung ist unwirksam.


Quelle: Landgericht Krefeld (Aktenzeichen anonymisiert)

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