Nebenkostenänderung braucht richtige Form


Der Streitfall: Schlüssiges Verhalten reicht nicht
Ein Gewerberaummietvertrag geriet ins Wanken, weil Vermieter und Mieter die Nebenkostenvorauszahlung ohne schriftliche Vereinbarung erhöht hatten. Durch schlüssiges Verhalten - der Mieter zahlte einfach mehr, der Vermieter akzeptierte es - entstand eine neue Regelung. Als später Streitigkeiten aufkamen, berief sich eine Partei auf die fehlende Schriftform und kündigte den Mietvertrag vorzeitig.
Der Bundesgerichtshof gab dem Recht: Die mündliche Änderung der Nebenkostenvorauszahlung verletzte die gesetzlichen Formvorschriften und machte eine Kündigung möglich.
Was sind Nebenkostenvorauszahlungen rechtlich?
Nebenkostenvorauszahlungen sind rechtlich Teil der Miete nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Sie decken laufende Betriebskosten wie Heizung, Wasser, Hausmeister oder Müllabfuhr ab. Nach dem Wirtschaftsjahr erfolgt eine Abrechnung mit Nachzahlung oder Erstattung.
Entscheidend: Da sie zur Miete gehören, unterliegen Änderungen den gleichen Formvorschriften wie Mietänderungen selbst.
Die Rechtslage: Wann gilt das Schriftformerfordernis?
Der BGH stellte präzise klar: Änderungen der Nebenkostenvorauszahlungen unterliegen der Schriftform nach § 550 BGB, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:
- Die Änderung erfolgt für mehr als ein Jahr
- Sie kann nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen werden
"Die Änderung der im Ursprungsmietvertrag vereinbarten Nebenkostenvorauszahlungen stellt unabhängig von ihrer relativen oder absoluten Höhe eine wesentliche Vertragsänderung dar."
Wichtig: Die Höhe der Änderung spielt keine Rolle. Auch kleine Beträge müssen ordnungsgemäß vereinbart werden.
Schutzzweck: Warum die Formvorschrift existiert
§ 550 BGB schützt potentielle Grundstückserwerber. Sie sollen sich anhand der Vertragsunterlagen zuverlässig über die Miethöhe informieren können. Besonders wichtig: Sie müssen erkennen können, ob bei Zahlungsrückständen eine Kündigung droht.
Da Rückstände bei Nebenkostenvorauszahlungen ebenfalls zur Kündigung berechtigen können, brauchen Immobilienkäufer verlässliche Informationen über die tatsächlichen Zahlungsverpflichtungen der Mieter.
Dieses Informationsinteresse besteht sowohl bei Erhöhungen als auch bei Herabsetzungen der Nebenkostenvorauszahlungen.
Eigentümerwechsel: Neue Vermieter profitieren von Formfehlern
Eine besonders praxisrelevante Entscheidung: Erwerber eines Grundstücks können sich grundsätzlich auf Formfehler ihrer Vorgänger berufen, auch wenn dies dem ursprünglichen Vermieter nach Treu und Glauben verwehrt gewesen wäre.
Die Begründung ist einleuchtend: Nur der ursprüngliche Vermieter hat rechtsmissbräuchlich an der für ihn günstigen schriftformschädlichen Änderung mitgewirkt. Der neue Vermieter war daran nicht beteiligt und kann daher die Unwirksamkeit geltend machen.
Dies gilt nach § 566 BGB, wonach der Erwerber kraft Gesetzes in die Vermieterstellung einrückt.
Wichtiger Praxishinweis: Gesetzesänderung seit 2025
Seit dem 1. Januar 2025 gelten neue Regeln: § 550 BGB verlangt nur noch Textform statt Schriftform. Das bedeutet, auch E-Mails können ausreichen.
Aber Achtung bei Altverträgen:
- Für vor dem 1. Januar 2025 geschlossene Verträge gilt bis zum 1. Januar 2026 noch das alte Recht mit Schriftformerfordernis
- Ausnahme: Wird in diesem Zeitraum eine Vertragsänderung vereinbart, gilt das neue Recht mit Textformerfordernis
In der Praxis bedeutet das: Bei Altverträgen müssen Änderungen der Nebenkostenvorauszahlungen noch bis Ende 2025 mit eigenhändigen Unterschriften erfolgen, es sei denn, es wird ohnehin eine neue Vereinbarung getroffen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Vermieter von Gewerberäumen
Achten Sie strikt auf die richtige Form bei Nebenkostenänderungen. Schlüssiges Verhalten oder mündliche Absprachen reichen nicht aus.
Bei Altverträgen bis Ende 2025:
- Schriftliche Zusatzvereinbarung mit eigenhändigen Unterschriften
- Keine E-Mails oder andere Textformen
Ab 2026 bzw. bei neuen Vereinbarungen:
- Textform ausreichend (E-Mail, Brief, SMS)
- Trotzdem empfehlenswert: Schriftliche Dokumentation für Rechtssicherheit
Für Gewerbemieter
Sie können sich gegen formwidrige Nebenkostenerhöhungen wehren. Prüfen Sie, ob Änderungen ordnungsgemäß vereinbart wurden.
Ihre Rechte:
- Verweigerung der Zahlung bei Formfehlern
- Rückforderung zu viel gezahlter Beträge
- Unter Umständen Kündigung des Mietvertrags wegen Schriftformverletzung
Vorsicht: Zahlen Sie keinesfalls einfach erhöhte Beträge, ohne die Rechtmäßigkeit zu prüfen.
Für Immobilienerwerber
Prüfen Sie alle Mietverträge und Änderungsvereinbarungen genau. Formwidrige Nebenkostenvereinbarungen können Sie meist rückgängig machen.
Ihre Vorteile:
- Berufung auf Formfehler auch bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten des Vorgängers
- Möglichkeit zur Korrektur der Nebenkostenvorauszahlungen
- Klarheit über tatsächliche Mieteinnahmen
Fazit: Formvorschriften haben ihren Sinn
Der BGH-Beschluss zeigt: Formvorschriften im Mietrecht sind nicht nur Bürokratie, sondern wichtiger Rechtsschutz. Sie schaffen Klarheit und Rechtssicherheit für alle Beteiligten.
Für die Praxis gilt: Lieber einmal zu viel schriftlich dokumentieren als später vor Gericht zu verlieren. Die Formvorschriften mögen lästig erscheinen, sie schützen aber alle Beteiligten vor unliebsamen Überraschungen.
Quelle: BGH, Beschluss vom 14.05.2025 - XII ZR 88/23
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