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Verjährung bei Immobilienmängeln: Auch Arglist schützt nicht ewig

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Beim Immobilienkauf können auch arglistig verschwiegene Mängel nach zehn Jahren nicht mehr geltend gemacht werden. Das entschied das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht und wies eine Schadensersatzklage wegen fehlender Baugenehmigung ab.
altes Generationenhaus mit Anbau
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Traum vom Mehrgenerationenhaus wird zum Alptraum

Ein Ehepaar kaufte 2011 ein Einfamilienhaus mit großem Grundstück. Auf dem Gelände befand sich neben dem Haupthaus ein weiteres Gebäude, das im Kaufvertrag schlicht als "Garage" bezeichnet wurde. Tatsächlich handelte es sich jedoch um ein sogenanntes Behelfsheim aus der Nachkriegszeit, in dem früher eine ältere Dame gewohnt hatte.

Das Maklerexposé machte den Käufern Hoffnung: Das zweite Gebäude könne "als Einliegerwohnung ausgebaut werden", alle Anschlüsse seien vorhanden. Die Verkäuferin bestärkte diese Vorstellung während der Besichtigung und verschwieg dabei ein entscheidendes Detail.

Jahre später: Die böse Überraschung

Der Käufer investierte zwischen 2019 und 2021 erhebliche Summen in den Umbau des Behelfsheims zu einer Wohnung für seine Mutter. Als er schließlich eine Abgeschlossenheitsbescheinigung beim Bauamt beantragen wollte, kam die Wahrheit ans Licht: Das Gebäude besitzt keine Baugenehmigung für die Nutzung zu Wohnzwecken. Die Wohnnutzung war in der Vergangenheit lediglich geduldet worden.

"Eine nachträgliche Genehmigung ist nicht in Aussicht gestellt", teilte die Behörde mit. Die investierten Gelder für den Ausbau erwiesen sich als nutzlos.

Die rechtlichen Streitpunkte

Der enttäuschte Käufer sah sich getäuscht und verklagte die Erbin der mittlerweile verstorbenen Verkäuferin. Seine Argumentation: Die Verkäuferin habe den Mangel arglistig verschwiegen. Er forderte Schadensersatz für die vergeblichen Aufwendungen sowie für den Minderwert der Immobilie.

Die beklagte Erbin wehrte sich mit dem Einwand der Verjährung. Ihrer Ansicht nach seien etwaige Ansprüche bereits erloschen, da zwischen dem Kaufvertragsabschluss 2011 und der Klageerhebung 2023 mehr als zehn Jahre vergangen waren.

Die Entscheidung: Gericht gibt der Beklagten recht

Das Oberlandesgericht wies die Klage vollständig ab. Auch wenn ein arglistig verschwiegener Mangel vorliegen sollte, seien die Ansprüche verjährt. Die Richter stellten klar: Schadensersatzansprüche aus Immobilienkaufverträgen verjähren auch bei arglistig verschwiegenen Mängeln spätestens nach zehn Jahren.

Diese absolute Verjährungsgrenze gilt unabhängig davon, ob der Käufer von dem Mangel wusste oder nicht. Das Gesetz stellt bewusst auf die Entstehung des Anspruchs ab, nicht auf dessen Erkennbarkeit.

Wann entsteht der Schaden rechtlich?

Entscheidend für das Urteil war die Frage, wann der Schaden eingetreten ist. Das Gericht wendete den sogenannten "Grundsatz der Schadenseinheit" an. Danach gilt ein Schaden bereits dann als eingetreten, wenn die erste Vermögenseinbuße eintritt.

Im konkreten Fall lag diese bereits beim Kaufvertragsabschluss vor: Das Grundstück war aufgrund des nicht genehmigungsfähigen Nebengebäudes weniger wert als der gezahlte Kaufpreis. Dieser Minderwert stellte den ersten Schaden dar.

Die späteren Aufwendungen für den Umbau bewertete das Gericht lediglich als "Weiterentwicklung" des bereits eingetretenen Schadens. Sie führten nicht zu einem neuen Verjährungsbeginn.

Grobe Fahrlässigkeit bei der Unkenntnis?

Das Gericht deutete außerdem an, dass der Käufer möglicherweise grob fahrlässig gehandelt hatte. Wer ein Dachgeschoss eines unklaren Gebäudes zu Wohnzwecken ausbaut, ohne vorher die Genehmigungslage zu prüfen, handelt möglicherweise leichtsinnig.

"Spätestens vor Beginn der Baumaßnahmen hätte sich der Käufer beim Bauamt erkundigen müssen", so die Richter. Diese Überlegung war für die Entscheidung zwar nicht ausschlaggebend, zeigt aber die kritische Haltung des Gerichts.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen für Immobilienkäufer und verdeutlicht mehrere wichtige Grundsätze:

Absolute Verjährungsgrenze beachten: Auch bei arglistig verschwiegenen Mängeln können Sie nach zehn Jahren keine Schadensersatzansprüche mehr geltend machen. Diese Frist beginnt mit dem Kaufvertragsabschluss, nicht mit der Entdeckung des Mangels.

Sorgfältige Prüfung vor dem Kauf: Lassen Sie vor dem Immobilienerwerb nicht nur den baulichen Zustand, sondern auch die Genehmigungslage aller Gebäude auf dem Grundstück überprüfen. Dies gilt besonders bei älteren Nebengebäuden oder Anbauten.

Vorsicht bei Umbauplänen: Wenn Sie Umbauten oder Nutzungsänderungen planen, klären Sie vorab mit dem Bauamt, ob diese genehmigungsfähig sind. Investieren Sie keine größeren Summen, ohne die rechtliche Situation zu kennen.

Dokumentation der Zusagen: Halten Sie alle Zusagen des Verkäufers schriftlich fest. Mündliche Versprechen sind schwer zu beweisen, wenn es später zu Streitigkeiten kommt.

Rechtzeitig handeln: Sollten Sie Mängel entdecken, zögern Sie nicht mit der rechtlichen Prüfung. Auch wenn noch keine konkreten Nachteile eingetreten sind, kann der Schaden rechtlich bereits entstanden sein.

Das Urteil zeigt deutlich: Der Gesetzgeber will Rechtsstreitigkeiten nicht endlos in die Länge ziehen lassen. Nach zehn Jahren ist grundsätzlich Schluss - auch bei arglistig verschwiegenen Mängeln. Umso wichtiger ist es, beim Immobilienkauf von Anfang an sorgfältig zu prüfen und im Zweifel fachkundigen Rat einzuholen.

Grundsätze des Urteils

  • Schadensersatzansprüche aus einem Grundstückskaufvertrag verjähren selbst bei arglistig verschwiegenen Mängeln kenntnisunabhängig spätestens zehn Jahre nach ihrer Entstehung.

  • Für den Verjährungsbeginn gilt der Grundsatz der Schadenseinheit, wonach der gesamte Schaden bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten gilt.

  • Der objektive Minderwert des Grundstücks im Vergleich zum Kaufpreis stellt den ersten Schaden dar, der bereits mit Vertragsschluss oder spätestens dessen Vollzug entsteht.

  • Spätere Aufwendungen, die sich wegen des Mangels als nutzlos erweisen, gelten rechtlich als bloße Weiterentwicklung des ursprünglichen Schadens und lösen keinen neuen Verjährungsbeginn aus.


Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 7. Zivilsenat, Urteil vom 22.07.2025, Az: 7 U 25/25

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