Vermieter muss Mietminderungsvereinbarungen des Voreigentümers akzeptieren
Der Streitfall
Ein Mieter bewohnte seit November 2011 eine großzügige Wohnung im zweiten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses. Ab Anfang 2018 begannen umfangreiche Sanierungsarbeiten im Gebäude, die sich über mehrere Jahre hinzogen. Mit dem damaligen Eigentümer hatte sich der Mieter auf eine Mietminderung geeinigt, die je nach Baufortschritt zwischen 5 und 53 Prozent variierte. Diese Minderung wurde praktisch umgesetzt, indem vermieterseitig nur der reduzierte Betrag per Lastschrift eingezogen wurde.
Im November 2020 verkaufte der Eigentümer die Immobilie. Die neue Vermieterin trat im März 2021 in das Mietverhältnis ein und informierte den Mieter über den Eigentümerwechsel. Zunächst wurde die bisherige Praxis der Mietminderung durch die beauftragte Hausverwaltung fortgesetzt. Allerdings wurden die reduzierten Mietbeträge nicht an die neue Eigentümerin weitergeleitet.
Als dies auffiel, verlangte die neue Vermieterin die vollständige Nachzahlung und erkannte die zuvor vereinbarten Minderungen nicht an. Der Mieter zahlte schließlich unter Vorbehalt, um eine mögliche Kündigung zu vermeiden, und forderte die überzahlten Beträge gerichtlich zurück.
Die Begründung des Gerichts
Das Amtsgericht Hamburg gab dem Mieter weitgehend Recht. Nach Paragraph 566 des Bürgerlichen Gesetzbuches tritt der Erwerber einer vermieteten Immobilie in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis ein. Dies umfasst auch Vereinbarungen, die zwischen Mieter und Voreigentümer getroffen wurden.
Die Kernaussage des Gerichts lautet: Der neue Vermieter kann dem Mieter nicht entgegenhalten, an Vereinbarungen mit dem Voreigentümer nicht beteiligt gewesen zu sein.
Das Gericht sah in der praktizierten Vorgehensweise eine verbindliche Vereinbarung. Der Einzug reduzierter Mietbeträge stellte ein konkludentes Angebot der Vermieterseite dar, sich auf bestimmte Minderungsquoten zu verständigen. Da der Mieter diesen Abbuchungen nicht widersprochen hatte und beide Seiten sich grundsätzlich auf die Berücksichtigung von Minderungen im Lastschriftverfahren verständigt hatten, lag eine bindende Einigung vor.
Auch das Schreiben der neuen Eigentümerin vom März 2021 änderte daran nichts. Darin wurde lediglich mitgeteilt, dass die bisherige Hausverwaltung weiterhin tätig sein werde und sich um sämtliche Belange im Gebäude kümmern würde. Aus Sicht eines objektiven Empfängers bedeutete dies keine Aufkündigung bestehender Vereinbarungen, sondern lediglich, dass neu anfallende Themen direkt mit der Eigentümerin zu klären seien.
Weitere wichtige Feststellungen zur Mietminderung
Das Urteil enthält noch weitere bedeutsame Aussagen zur Mietminderung bei Wohnungsmängeln. So stellte das Gericht fest, dass die Höhe der Minderung bei einem defekten Fahrstuhl auch von der Lage der Wohnung abhängt. Ein Mieter im zweiten Obergeschoss ist weniger auf einen funktionierenden Aufzug angewiesen als beispielsweise ein Bewohner im fünften Stock. Entsprechend fällt die berechtigte Minderungsquote unterschiedlich aus.
Zudem präzisierte das Gericht die Voraussetzungen dafür, wann ein Vermieter dem Mieter vorwerfen kann, durch Verweigerung von Mängelbeseitigungsarbeiten sein Minderungsrecht zu verlieren. Eine solche Verweigerung liegt nur dann vor, wenn die Mängelbeseitigung dem Mieter in zumutbarer und duldungspflichtiger Art und Weise angeboten wurde. Erscheint beispielsweise ein Handwerker unangemeldet vor der Tür, ohne dass der Mieter Gelegenheit hatte, die betroffenen Räume freizuräumen, liegt keine unzulässige Verweigerung vor.
In dem konkreten Fall erkannte das Gericht verschiedene Minderungsquoten an. Für dekorative Mängel wie Rissbildungen in den Wänden, einen stark eingeschränkt nutzbaren Fahrstuhl sowie eine schimmelige Dusche setzte es zeitweise 15 Prozent Minderung an. Für weniger schwerwiegende Beeinträchtigungen wurden 5 bis 10 Prozent als angemessen erachtet.
Betriebskostenabrechnungen und Fälligkeit
Einen weiteren Aspekt behandelte das Gericht im Zusammenhang mit Betriebskostenabrechnungen. Die Vermieterin versuchte, Nachforderungen aus den Abrechnungen für 2021 und 2022 gegen die Rückforderungsansprüche des Mieters aufzurechnen. Dies scheiterte jedoch an formellen Gründen.
Das Gericht stellte klar: Erst mit Zugang der Abrechnung beim Mieter wird ein Nachforderungsanspruch fällig.
Die Abrechnung für 2021 war erst Anfang 2024 erstellt worden und damit außerhalb der gesetzlichen Abrechnungsfrist. Nachforderungen waren daher ausgeschlossen. Bei der Abrechnung für 2022 fehlte es an der Darlegung, wann diese dem Mieter tatsächlich zugegangen war. Ohne nachgewiesenen Zugang konnte auch hier keine Fälligkeit eintreten.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Mieter bietet diese Entscheidung wichtigen Schutz. Haben Sie mit Ihrem Vermieter eine Mietminderung vereinbart und wird die Immobilie anschließend verkauft, sind Sie nicht schutzlos. Der neue Eigentümer tritt automatisch in bestehende Vereinbarungen ein und kann diese nicht einseitig für unwirksam erklären. Dies gilt insbesondere, wenn die Minderung bereits praktiziert wurde, etwa durch reduzierten Lastschrifteinzug.
Vermieter sollten sich beim Erwerb einer vermieteten Immobilie genau über bestehende Vereinbarungen informieren. Der Kaufvertrag sollte solche Aspekte berücksichtigen, beispielsweise durch Gewährleistungsklauseln oder Kaufpreisanpassungen. Eine pauschale Ablehnung von Vorabsprachen ist rechtlich nicht zulässig.
Wichtig ist auch die Erkenntnis zur Lage der Wohnung bei Fahrstuhldefekten. Mieter in höheren Stockwerken können bei einem dauerhaft defekten oder stark störungsanfälligen Aufzug höhere Minderungsquoten geltend machen als Bewohner niedriger gelegener Wohnungen. Die konkrete Beeinträchtigung im Einzelfall ist entscheidend.
Schließlich sollten Vermieter bei Betriebskostenabrechnungen peinlich genau auf die Einhaltung von Fristen und Nachweisen achten. Eine verspätete oder nicht nachweisbar zugestellte Abrechnung kann dazu führen, dass Nachforderungen vollständig entfallen.
Grundsätze des Urteils
- Der neue Eigentümer tritt nach § 566 BGB in alle Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis ein, einschließlich Vereinbarungen über Mietminderungen mit dem Voreigentümer
- Der Erwerber kann dem Mieter nicht entgegenhalten, an Vereinbarungen mit dem Voreigentümer nicht beteiligt gewesen zu sein
- Reduzierter Lastschrifteinzug durch Vermieter stellt konkludentes Angebot zur Einigung über Minderungsquoten dar
- Die Höhe der Mietminderung bei defektem Fahrstuhl hängt von der Lage der Wohnung im Gebäude ab
- Betriebskostennachforderungen werden erst mit nachgewiesenem Zugang der Abrechnung beim Mieter fällig; verspätete Abrechnungen schließen Nachforderungen aus
Quelle: Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 05.04.2024, Az. 49 C 352/22
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