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Wann wird die Wohnung nach Mietende vorenthalten?

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Wer nach dem Auszug noch Möbel in der alten Wohnung lagert, muss nicht die volle Miete zahlen – der BGH stellt klar, wann Vermieter welche Ansprüche haben und wie viel ein Mieter für die bloße Lagerung schuldet.
offene Terrassentür mit herumliegenden Umzugskartons
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Streit um eine gekündigte Wohnung

Ein Mieter aus Hanau hatte nach fünf Jahren genug von seiner Wohnung. Im Mai 2017 kündigte er ordentlich zum 31. August 2017. Das Problem: Der Vermieter hielt diese Kündigung für unwirksam, da im Mietvertrag ein beidseitiger Kündigungsausschluss für 60 Monate vereinbart war.

Der Mieter zog trotzdem im Februar 2018 aus der Wohnung aus. Seine Einbauküche und einige Möbelstücke ließ er allerdings noch dort stehen. Um auf Nummer sicher zu gehen, zahlte er die Miete von Februar bis August 2018 weiter – allerdings unter Vorbehalt. Erst im Oktober 2018 gab er die Schlüssel zurück, nachdem der Vermieter ihm im September wegen Zahlungsverzugs gekündigt hatte.

Der lange Weg durch die Instanzen

Was folgte, war ein jahrelanger Rechtsstreit. Erst 2019 wurde in einem Vorprozess rechtskräftig festgestellt, dass die Kündigung des Mieters von 2017 tatsächlich wirksam war. Das Mietverhältnis war also bereits zum 31. August 2017 beendet worden.

Nun wollte der Mieter sein Geld zurück: Die unter Vorbehalt gezahlte Miete und seine Kaution. Der Vermieter hingegen meinte, er könne das Geld behalten und forderte sogar noch mehr. Schließlich habe der Mieter ihm die Wohnung vorenthalten.

Die zentrale Rechtsfrage: Was bedeutet "Vorenthaltung"?

Der Bundesgerichtshof musste klären, wann eine Wohnung im rechtlichen Sinne "vorenthalten" wird. Nach § 546a BGB kann ein Vermieter nämlich die vereinbarte Miete als Entschädigung verlangen, wenn der Mieter nach Mietende die Wohnung nicht zurückgibt.

Die entscheidende Erkenntnis des BGH: Eine Vorenthaltung liegt nur vor, wenn zwei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind. Zum einen muss der Mieter die Wohnung tatsächlich nicht zurückgeben. Zum anderen muss der Vermieter die Wohnung aber auch wirklich zurückhaben wollen. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Der Knackpunkt: Der fehlende Rückgabewille

Im vorliegenden Fall fehlte es an der zweiten Voraussetzung. Der Vermieter ging nämlich die ganze Zeit davon aus, dass das Mietverhältnis noch besteht. Er hielt die Kündigung des Mieters für unwirksam und klagte sogar auf Feststellung des Fortbestands des Mietverhältnisses.

Die Logik dahinter ist einleuchtend: Wer glaubt, dass das Mietverhältnis noch läuft, will die Wohnung gar nicht zurück. Er will weiterhin Miete kassieren. Erst als der Vermieter im September 2018 selbst kündigte, zeigte er, dass er die Wohnung zurückhaben möchte. Ab diesem Zeitpunkt konnte von einer Vorenthaltung gesprochen werden.

Die finanzielle Bewertung: Was kostet ein Möbellager?

Nur weil keine Vorenthaltung vorlag, bedeutet das nicht, dass der Mieter gar nichts zahlen musste. Der BGH stellte klar: Wer nach Vertragsende noch Nutzungen aus der Wohnung zieht, muss diese nach Bereicherungsrecht herausgeben.

Die spannende Frage war: Wie viel ist die Nutzung einer Wohnung als reines Möbellager wert? Der Vermieter argumentierte, es müsse der volle Mietwert der Wohnung sein. Immerhin konnte er die Wohnung nicht anderweitig vermieten.

Der BGH sah das anders: Entscheidend sei nicht die theoretische Nutzungsmöglichkeit, sondern die tatsächlich gezogene Nutzung. Der Mieter nutzte die Wohnung nur noch als Lagerraum für seine Möbel und die Einbauküche – nicht mehr zum Wohnen.

Das Gericht bewertete diese Lagernutzung mit monatlich 120 Euro. Dieser Betrag orientierte sich an den marktüblichen Kosten für einen entsprechenden Lagerraum. Die vom Vermieter geforderte volle Miete von über 1.000 Euro monatlich wäre unverhältnismäßig gewesen.

Die Abrechnung: Wer bekommt was?

Nach der BGH-Entscheidung ergab sich folgende Abrechnung:

Für Februar bis August 2018 (ohne Juni): Der Mieter hatte unter Vorbehalt 9.270 Euro gezahlt. Davon durfte der Vermieter nur die Lagernutzung von 6 mal 120 Euro, also 720 Euro, behalten. Die Differenz von 8.550 Euro musste er an den Mieter zurückzahlen.

Für die Kaution: Von der ursprünglichen Kaution in Höhe von 2.500 Euro konnte der Vermieter die Lagernutzung für Juni und September mit jeweils 120 Euro, also 240 Euro, sowie die Nutzungsentschädigung für den halben Oktober mit 545 Euro abziehen. Somit verblieb ein Rückzahlungsanspruch des Mieters von 1.715 Euro.

Insgesamt musste der Vermieter dem Mieter also 10.265 Euro zurückzahlen.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses BGH-Urteil hat weitreichende Konsequenzen für Mieter und Vermieter gleichermaßen.

Für Mieter:

Wenn Sie kündigen und der Vermieter die Kündigung anzweifelt, sind Sie in einer besseren Position als bisher gedacht. Solange der Vermieter behauptet, das Mietverhältnis bestehe fort, kann er keine Nutzungsentschädigung in Höhe der vollen Miete verlangen.

Wichtig: Zahlen Sie in solchen Situationen Miete nur unter ausdrücklichem Vorbehalt. So können Sie das Geld später zurückfordern, wenn sich Ihre Kündigung als wirksam erweist. Falls Sie nach dem Auszug noch Gegenstände in der Wohnung lassen, müssen Sie nur für den tatsächlichen Nutzwert aufkommen – nicht für die volle Miete. Das kann einen erheblichen finanziellen Unterschied machen.

Für Vermieter:

Überlegen Sie genau, ob Sie eine Mieterkündigung wirklich anzweifeln wollen. Stellt sich die Kündigung später als wirksam heraus, können Sie für die Zwischenzeit nur eine geringe Entschädigung verlangen – selbst wenn die Wohnung durch zurückgelassene Gegenstände blockiert war.

Der bessere Weg: Akzeptieren Sie die Kündigung unter Vorbehalt und fordern Sie die sofortige Räumung. So dokumentieren Sie Ihren Rückgabewillen und können ab diesem Zeitpunkt Nutzungsentschädigung in voller Höhe beanspruchen.

Praktische Tipps zum Umgang mit strittigen Kündigungen

Die Entscheidung des BGH zeigt, wie wichtig die richtige Strategie bei umstrittenen Kündigungen ist.

Als Mieter sollten Sie Kündigungen immer schriftlich mit Nachweis versenden und bei Zweifeln des Vermieters Zahlungen nur unter Vorbehalt leisten. Räumen Sie die Wohnung vollständig, um Nutzungsersatzansprüche zu vermeiden, und dokumentieren Sie alle Kommunikation mit dem Vermieter sorgfältig.

Als Vermieter sollten Sie Kündigungen nicht vorschnell als unwirksam zurückweisen. Bei Zweifeln an der Wirksamkeit ist es ratsam, die Kündigung hilfsweise zu akzeptieren und gleichzeitig die Räumung zu fordern. Dokumentieren Sie Ihren Rückgabewillen klar und deutlich. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, eine Räumungsklage in Betracht zu ziehen, um Ihre Position zu untermauern.

Ausblick: Die Bedeutung für die Rechtspraxis

Dieses Urteil des BGH stärkt die Position von Mietern in Kündigungsstreitigkeiten erheblich. Es macht deutlich, dass Vermieter nicht beide Strategien gleichzeitig fahren können: Sie können nicht einerseits am Mietverhältnis festhalten und andererseits volle Nutzungsentschädigung verlangen.

Die Entscheidung fügt sich in eine Reihe von mieterfreundlichen BGH-Urteilen der letzten Jahre ein. Sie zeigt, dass der BGH bei der Auslegung des Mietrechts auf einen fairen Interessenausgleich achtet. Das wirtschaftliche Risiko einer strittigen Rechtslage soll nicht einseitig einer Partei aufgebürdet werden.

Für die Praxis bedeutet das: Beide Seiten müssen ihre Position sorgfältig abwägen. Blindes Beharren auf vermeintlichen Rechtspositionen kann teuer werden. Dialog und Kompromissbereitschaft sind oft der bessere Weg als jahrelange Rechtsstreitigkeiten.

Grundsätze des Urteils

  • Eine Vorenthaltung der Mietsache im Sinne des § 546a BGB liegt nur vor, wenn die Nichtrückgabe dem Willen des Vermieters widerspricht.

  • Dem Vermieter fehlt der Rückerlangungswille, wenn er trotz Kündigung durch den Mieter von einem Fortbestehen des Mietverhältnisses ausgeht.

  • Ein bereicherungsrechtlicher Nutzungsersatzanspruch hängt von den tatsächlich gezogenen Nutzungen ab und nicht allein vom Besitz der Wohnung.

  • Dient die Wohnung nach Vertragsende nur noch der Lagerung von Möbeln, bemisst sich der Wertersatz nach den Kosten für einen Lagerraum und nicht nach dem objektiven Wohnraummietwert.


Quelle: BGH, Urteil vom 18.06.2025 - VIII ZR 291/23

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