Unwirksame Schönheitsreparaturklausel führt zur Kautionsrückzahlung
Der Fall: Streit um Kautionseinbehalt nach Mietende
Ein Mieter bewohnte von April 2020 bis Februar 2024 eine Wohnung in Hamburg. Nach dem Auszug behielt die Vermieterin einen Betrag von über tausend Euro aus der Mietkaution ein. Sie begründete dies mit angeblich fälligen Malerarbeiten und offenen Betriebskostenabrechnungen. Der Mieter widersprach und forderte die vollständige Rückzahlung seiner Kaution.
Die Vermieterin berief sich auf eine mündliche Vereinbarung bei der Wohnungsübergabe, wonach der Mieter innerhalb von zwei Wochen Renovierungsarbeiten durchführen sollte. Da dies nicht geschehen sei, habe sie die Arbeiten auf seine Kosten durchführen lassen. Zudem rechtfertige die ausstehende Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2024 einen weiteren Einbehalt.
Schönheitsreparaturen: Warum die Klausel scheiterte
Das Gericht stellte fest, dass die Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter von vornherein unwirksam war. Der Mietvertrag enthielt mehrere problematische Regelungen, die gegen gesetzliche Vorgaben verstießen.
Ein zentraler Punkt war die Verpflichtung zur Pflege und Reinigung der Fußböden im Rahmen der Schönheitsreparaturen. Diese Formulierung ging weit über das hinaus, was als Schönheitsreparatur zulässig ist. Das Gericht argumentierte, dass eine solche Klausel bei kundenfeindlichster Auslegung auch Reinigungsvorgänge umfassen würde, die deutlich über die übliche besenreine Rückgabe hinausgehen. Mieter müssten dann nicht nur die normale Verschmutzung beseitigen, sondern zusätzliche Grundreinigungen durchführen.
Solche Anforderungen verstoßen gegen das Gesetz, wonach Mieter nicht für die normale Abnutzung bei vertragsgemäßem Gebrauch haften. Eine Kompensation für diese zusätzliche Belastung gab es nicht, sodass der Mieter dem Risiko von Schadensersatzansprüchen ausgesetzt gewesen wäre. Dies ist rechtlich unzulässig.
Auch weitere Formulierungen im Mietvertrag erwiesen sich als unwirksam. Die Regelung zum Streichen der Fenster war nicht hinreichend deutlich. Der Text erwähnte das Streichen von Innentüren sowie Fenstern und Außentüren von innen. Dabei blieb unklar, ob sich das von innen auch auf die Fenster bezog oder nur auf die Außentüren. Diese Unklarheit geht nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung zu Lasten der Vermieterin.
Darüber hinaus überschritt die Klausel den zulässigen Umfang von Schönheitsreparaturen durch die Verpflichtung zum Anstrich sämtlicher Versorgungsleitungen in der Wohnung. Diese Arbeiten sind in der gesetzlichen Definition von Schönheitsreparaturen nicht vorgesehen und dürfen daher nicht auf Mieter abgewälzt werden.
Die zeitliche Komponente: Wann sind Renovierungen fällig?
Selbst wenn die Klauseln wirksam gewesen wären, hätte der Mieter keine Schönheitsreparaturen durchführen müssen. Das Mietverhältnis dauerte keine fünf Jahre, und die kürzesten Regelfristen für Schönheitsreparaturen betragen mindestens fünf Jahre für Küchen und Bäder. Entscheidend für die Fälligkeit ist dabei nicht der leere Zustand nach dem Auszug, sondern ob bei fortdauerndem Mietverhältnis eine Renovierung erforderlich gewesen wäre.
Das Gericht stellte klar, dass auch die angebliche Vereinbarung bei der Wohnungsübergabe die Vermieterin nicht zur Durchführung von Malerarbeiten auf Kosten des Mieters berechtigte. Wenn die ursprüngliche Abwälzung der Schönheitsreparaturen bereits unwirksam war, kann der Mieter durch eine nachträgliche Erklärung nicht wirksam zur Renovierung verpflichtet werden. Er knüpft dabei erkennbar an eine Verpflichtung an, die er für wirksam hält, die es aber rechtlich nicht gibt.
Betriebskostenabrechnung: Abkürzungen und Vermischungen
Auch der Einbehalt für Betriebskosten war nicht gerechtfertigt. Die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2023 enthielt erhebliche formelle Mängel, die zu ihrer Unwirksamkeit führten.
Besonders problematisch war die Position Beleuchtung und allgemeiner Strom. Diese Zusammenfassung verschiedener Kostenarten ist unzulässig, da sie über die reinen Beleuchtungskosten hinausgeht. In der Verwaltungspraxis handelt es sich bei allgemeinem Strom um eine Sammelposition für alle Stromkosten, für die keine separaten Zähler vorhanden sind. Die beiden Begriffe werden nicht synonym verwendet, was bereits aus dem Wortlaut und der üblichen Verwendung hervorgeht.
Die abgerechneten Beträge bestätigten diese Einschätzung. In Zeiten energiesparender LED-Lampen wären für die reine Beleuchtung eines Mehrfamilienhauses ohne große Außenanlagen eher kleine Beträge zu erwarten. Tatsächlich wurden jedoch Beträge abgerechnet, die ein Vielfaches der normalen Beleuchtungskosten darstellten. Dies belegte, dass es sich gerade nicht ausschließlich um Beleuchtungskosten handelte.
Ein weiterer gravierender Mangel bestand in der Verwendung unerklärter Abkürzungen. Die Abrechnung enthielt Positionen wie Wartung und Prüfung BMA, BOF, MSR oder SiBe. Diese Abkürzungen waren für den Mieter nicht verständlich und machten die Abrechnung nicht nachvollziehbar.
Das Gericht stellte klar, dass es unerheblich ist, ob der Mieter durch Nachfragen bei der Hausverwaltung hätte Klarheit bekommen können. Die Abrechnung muss aus sich heraus verständlich und prüffähig sein. Der Mieter muss in der Lage sein, den Anspruch des Vermieters gedanklich und rechnerisch nachzuvollziehen. Dies war bei den verwendeten Abkürzungen nicht möglich.
Beispielhaft verdeutlichte das Gericht dies am Kürzel BOS, das für Wartung und Prüfung der Feuerwehrfunkanlage stehen sollte. Dem äußeren Anschein nach hatte diese Abkürzung mit der Wartung einer Feuerwehrfunkanlage nichts zu tun und wirkte eher wie eine Bezeichnung ohne Sinn. Ähnliches galt für die anderen verwendeten Abkürzungen.
Keine Berechtigung für pauschalen Sicherheitseinbehalt
Die Vermieterin versuchte auch, einen allgemeinen Sicherheitszuschlag für künftige Betriebskostenabrechnungen zu rechtfertigen. Dies ist nach der Rechtsprechung jedoch nicht zulässig. Vermieter dürfen die monatlichen Vorauszahlungen zwar nach dem Abrechnungsergebnis anpassen, auch unter Berücksichtigung konkreter Kostenänderungen. Ein pauschaler Sicherheitszuschlag ohne konkrete Grundlage ist jedoch unzulässig.
Zudem können Kosten, die materiell fehlerhaft auf den Mieter umgelegt wurden, weil es an einer mietvertraglichen Vereinbarung fehlt, eine Erhöhung der Vorauszahlungen nicht begründen. Im vorliegenden Fall war die Abrechnung bereits formell unwirksam, sodass sie keine Grundlage für einen Einbehalt bilden konnte.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil unterstreicht die hohen Anforderungen an Formulierungen in Mietverträgen und Betriebskostenabrechnungen. Vermieter können nicht beliebige Arbeiten unter dem Begriff der Schönheitsreparaturen auf Mieter abwälzen. Die gesetzliche Definition bildet eine klare Grenze, die nicht überschritten werden darf.
Für Mieter bedeutet dies einen wichtigen Schutz. Selbst wenn sie einem Mietvertrag mit problematischen Klauseln zugestimmt haben, können sie sich auf die Unwirksamkeit berufen. Eine nachträgliche Vereinbarung bei der Wohnungsübergabe ändert daran nichts, wenn die ursprüngliche Klausel bereits unwirksam war.
Bei Betriebskostenabrechnungen müssen Mieter nicht einfach hinnehmen, wenn unverständliche Abkürzungen oder Vermischungen verschiedener Kostenarten verwendet werden. Die Abrechnung muss aus sich heraus verständlich und nachprüfbar sein. Ist dies nicht der Fall, ist die Abrechnung formell unwirksam, und Mieter müssen die geforderten Nachzahlungen nicht leisten.
Das Urteil macht auch deutlich, dass Vermieter bei der Kautionsabrechnung keine pauschalen Sicherheitseinbehalte vornehmen dürfen. Einbehalte müssen auf konkreten und nachvollziehbaren Forderungen beruhen. Sind diese nicht gegeben, haben Mieter Anspruch auf vollständige Rückzahlung ihrer Kaution.
Vermieter sollten ihre Mietverträge und Abrechnungspraktiken überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Die Verwendung veralteter oder juristisch bedenklicher Formulierungen kann dazu führen, dass sie wichtige Ansprüche verlieren. Bei Betriebskostenabrechnungen ist auf klare und vollständig ausgeschriebene Bezeichnungen zu achten.
Grundsätze aus dem Urteil
- Die mietvertragliche Abwälzung von Schönheitsreparaturen ist unwirksam, wenn sie unter anderem die Pflege und Reinigung von Fußböden umfasst
- Pauschale Sicherheitseinbehalte für künftige Abrechnungen sind unzulässig
- Abrechnungen müssen aus sich heraus verständlich und prüffähig sein, ohne dass Mieter nachfragen müssen
Quelle: Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 24.10.2025, Az. 49 C 518/24
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