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Zigarettenrauch vom Nachbarn: Vermieter muss handeln

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Raucht ein Nachbar so stark, dass der Qualm in andere Wohnungen zieht, kann der Vermieter zur Abhilfe verpflichtet werden. Ein aktuelles Urteil zeigt: Mieter haben Anspruch auf rauchfreie Wohnung.
Fassade eines Mehrfamilienhauses, Rauch tritt aus einem Balkonfenster aus
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Wenn das Lüften zur Qual wird

Stellen Sie sich vor: Sie möchten abends Ihre Wohnung lüften, doch kaum öffnen Sie das Fenster, strömt Zigarettenrauch herein. Was für viele Menschen nur gelegentlich ärgerlich ist, wurde für einen Mieter in Bremen zur täglichen Belastung. Sein Nachbar im Erdgeschoss rauchte intensiv in der Wohnung und auf dem Balkon - mit weitreichenden Folgen für das gesamte Gebäude.

Der Fall zeigt beispielhaft, wie Nachbarschaftskonflikte um das Rauchen vor Gericht landen können und welche Rechte Mieter haben, wenn sie durch Zigarettenqualm beeinträchtigt werden.

Die Ausgangslage: Wenn Rauchen zur Dauerbelästigung wird

Ein Mieter bewohnte seit mehreren Jahren eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Das friedliche Wohnverhältnis änderte sich, als in die Erdgeschosswohnung ein starker Raucher einzog. Dieser konsumierte täglich bis zu anderthalb Schachteln Zigaretten und rauchte in allen Räumen seiner Wohnung sowie auf dem Balkon.

Das Problem verschärfte sich dadurch, dass die Familie im Erdgeschoss kontinuierlich lüftete und im Sommer die Balkontür dauerhaft offen ließ. Der Zigarettenrauch stieg durch das Treppenhaus und die geöffneten Fenster in die darüber liegenden Wohnungen auf.

Für den betroffenen Mieter war die Situation besonders belastend, da er unter einer starken Allergie litt. Der eindringende Zigarettenqualm verstärkte seine gesundheitlichen Beschwerden erheblich. Versuche, eine einvernehmliche Lösung mit dem rauchenden Nachbarn zu finden, scheiterten.

Erste Lösungsversuche: Abdichtung der Fenster

Die Vermieterin erkannte das Problem und beauftragte einen Tischler, die Fenster der betroffenen Wohnung abzudichten. Diese Maßnahme half zwar bei geschlossenen Fenstern, löste aber nicht das grundlegende Problem: Ein normales Lüften der Wohnung war weiterhin unmöglich, da sofort Zigarettenrauch eindrang.

Der Bewohner konnte nur noch nachts lüften, wenn die Familie im Erdgeschoss schlief und die Fenster geschlossen hatte. Diese Einschränkung der Wohnqualität war für ihn nicht hinnehmbar.

Der rechtliche Weg: Klage auf Mängelbeseitigung

Da sich keine andere Lösung fand, entschied sich der Mieter für den Gang vor Gericht. Er verklagte seine Vermieterin auf Beseitigung der Belästigung durch Zigarettenrauch. Gleichzeitig forderte er eine Mietminderung und machte sein Zurückbehaltungsrecht geltend.

Die Vermieterin bestritt zunächst das Ausmaß der Belästigung und argumentierte, sie könne einem Mieter das Rauchen in dessen eigener Wohnung nicht verbieten. Die vom Kläger geforderte Minderungsquote sei außerdem überhöht.

Beweisaufnahme: Zeugen bestätigen das Rauchproblem

Das Gericht führte eine umfassende Beweisaufnahme durch und vernahm mehrere Zeugen. Dabei stellte sich heraus, dass auch andere Bewohner des Hauses unter dem Zigarettenrauch litten.

Eine Nachbarin aus dem ersten Stock berichtete: "Man kann den Rauch eigentlich immer riechen, auch im Hausflur. Man kann nicht lüften, weil das Fenster unten dauerhaft gekippt ist." Sie hatte sogar ihren Schlafrhythmus umgestellt, um nachts lüften zu können, wenn im Erdgeschoss nicht geraucht wurde.

Die frühere Lebensgefährtin des Klägers bestätigte die Schilderungen. Sie berichtete, dass Kleidungsstücke, die länger in der Wohnung lagen, wegen des Rauchgeruchs gewaschen werden mussten. Die allergischen Reaktionen des Klägers hätten sich in der Zeit der Rauchbelästigung deutlich verschlechtert.

Selbst die Mutter des rauchenden Nachbarn bestätigte als Zeugin, dass ihr Sohn starker Raucher sei und überall in der Wohnung sowie auf dem Balkon rauche. Die erste Zigarette rauche er bereits morgens nach dem Aufstehen.

Die Entscheidung: Vermieter ist zur Abhilfe verpflichtet

Das Amtsgericht gab dem Mieter in weiten Teilen recht. Die Richter stellten fest, dass die Wohnung aufgrund der Zigarettenimmissionen einen Mangel aufweist, der ihre Gebrauchstauglichkeit erheblich mindert.

Vermieter sind nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch verpflichtet, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten. Diese Pflicht bezieht sich nicht nur auf bauliche Mängel, sondern auch auf das Abstellen von Immissionen wie Zigarettenrauch.

Die Beklagte wurde daher verurteilt, die Belästigung durch Zigarettenrauch zu beseitigen. Wie sie das konkret erreicht, bleibt ihr überlassen - das Gericht räumte ihr einen Spielraum bei der Wahl der Maßnahmen ein.

Mietminderung: Zwanzig Prozent sind gerechtfertigt

Das Gericht sprach dem Mieter auch eine Mietminderung zu, allerdings nicht in der geforderten Höhe von dreißig Prozent, sondern in Höhe von zwanzig Prozent der Bruttomiete.

Bei der Bemessung berücksichtigten die Richter verschiedene Faktoren:

Belastende Aspekte: Der Zigarettenrauch dringt über den ganzen Tag hinweg ein, sobald ein Fenster geöffnet wird. Auch der Balkon ist ständig beeinträchtigt. Zigarettenrauch wird von Nichtrauchern nicht nur als unangenehm empfunden, sondern kann auch gesundheitsschädigend sein. Der Kläger war als Allergiker besonders betroffen.

Mildernde Umstände: Das Leben in Mehrparteienhäusern und Großstädten bringt generell das Risiko mit sich, gelegentlich belastenden Gerüchen ausgesetzt zu sein. Eine völlige Geruchsfreiheit kann daher nicht erwartet werden.

Unter Abwägung aller Umstände hielten die Richter eine Minderung um zwanzig Prozent für angemessen. Diese Bewertung zeigt, dass Zigarettenimmissionen durchaus als erheblicher Mietmangel eingestuft werden können.

Zurückbehaltungsrecht: Druckmittel gegen den Vermieter

Zusätzlich zur Minderung sprach das Gericht dem Mieter ein zeitlich begrenztes Zurückbehaltungsrecht zu. Dies bedeutet, dass er die Mietzahlung (abzüglich der Minderung) zurückhalten kann, bis der Mangel beseitigt ist.

Das Zurückbehaltungsrecht dient als Druckmittel, um den Vermieter zur schnellen Behebung des Mangels zu motivieren. Es ist zeitlich auf neun Monate begrenzt und kann nur für den Teil der Miete ausgeübt werden, der nicht bereits durch die Minderung erfasst ist.

Praktische Umsetzung: Welche Maßnahmen sind möglich?

Das Urteil lässt offen, wie die Vermieterin das Rauchproblem konkret lösen soll. In der Praxis kommen verschiedene Ansätze in Betracht:

Gespräche mit dem rauchenden Mieter: Zunächst sollte versucht werden, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Möglicherweise ist der Nachbar bereit, sein Rauchverhalten zu ändern oder technische Lösungen zu akzeptieren.

Technische Maßnahmen: Luftreinigungsgeräte, bessere Belüftung oder bauliche Veränderungen können die Rauchausbreitung reduzieren. Allerdings sind solche Maßnahmen oft kostspielig und nicht immer wirksam.

Vertragliche Regelungen: Bei Neuvermietungen können Vermieter Rauchverbote in Mietverträgen vereinbaren. Bei bestehenden Mietverhältnissen ist dies schwieriger durchsetzbar.

Kündigung als letztes Mittel: In extremen Fällen kann die Störung durch einen Mieter so erheblich sein, dass eine Kündigung wegen Vertragsverletzung gerechtfertigt ist. Dies ist jedoch ein schwerwiegender Schritt, der hohe rechtliche Hürden hat.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Das Bremer Urteil stärkt die Position von Mietern, die unter Zigarettenrauch leiden. Es zeigt deutlich: Vermieter können sich nicht einfach aus der Verantwortung ziehen, wenn ein Mieter andere durch sein Rauchverhalten erheblich beeinträchtigt.

Wenn Sie selbst von ähnlichen Problemen betroffen sind, sollten Sie zunächst Ihren Vermieter schriftlich über die Belästigung informieren und eine Frist zur Abhilfe setzen. Dokumentieren Sie die Beeinträchtigungen genau - Fotos, Zeugenaussagen und ein Beschwerdetagebuch können später vor Gericht hilfreich sein.

Eine Mietminderung kommt in Betracht, sobald der Mangel eingetreten ist. Die Höhe richtet sich nach dem Einzelfall - zwanzig Prozent wie in diesem Fall sind durchaus möglich, wenn die Beeinträchtigung erheblich ist.

Wichtig ist jedoch: Setzen Sie sich bei derartigen Problemen frühzeitig mit einem auf Mietrecht spezialisierten Anwalt in Verbindung. Jeder Fall ist anders gelagert, und die rechtliche Bewertung hängt stark von den konkreten Umständen ab.

Das Urteil macht Mut für alle Mieter, die bislang dachten, sie müssten Zigarettenrauch vom Nachbarn einfach hinnehmen. Die Rechtsprechung zeigt: Ein gesundes Wohnklima ist kein Luxus, sondern ein durchsetzbares Recht.

Grundsätze des Urteils

  • Der Vermieter muss die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand erhalten, was auch den Schutz vor Immissionen wie Zigarettenrauch umfasst.

  • Dringt Zigarettenrauch in eine Wohnung ein und beeinträchtigt deren Wohnqualität erheblich, liegt ein Sachmangel vor.

  • Die angemessene Mietminderung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wobei Gesundheitsgefahren und Dauer der Beeinträchtigung gegen die Sozialadäquanz von Gerüchen in Mehrparteienhäusern abgewogen werden.

  • Bei ständiger Belästigung durch Rauch ist eine Minderung von 20 Prozent gerechtfertigt.

  • Dem Mieter steht neben der Minderung ein Zurückbehaltungsrecht an der Miete zu, um die Mängelbeseitigung durchzusetzen


Quelle: AG Bremen, Urteil vom 17.05.2024, Az. 17 C 332/22

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