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Mietrückstand berechtigt zur ordentlichen Kündigung

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Das Landgericht Itzehoe hat in einem aktuellen Beschluss klargestellt, wann Vermieter bei Zahlungsverzug eine ordentliche Kündigung aussprechen dürfen und wie Mietzahlungen zu verrechnen sind.
Eine Hand hält Wohnungsschlüssel, im Hintergrund ein Wohngebäude
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Monatelange Zahlungsverzögerungen führen zur Kündigung

Ein Mieter hatte seit 2015 ein möbliertes Zimmer angemietet. Die monatliche Miete betrug mehrere hundert Euro und war jeweils zum ersten Werktag des Monats fällig. Über einen längeren Zeitraum von Ende 2021 bis Mitte 2023 zahlte der Mieter seine Miete unregelmäßig. Teilweise blieben ganze Monate unberücksichtigt, in anderen Fällen zahlte er verspätet oder unvollständige Beträge.

Besonders auffällig war eine Zahlung im Mai 2022, bei der der Mieter einen größeren Betrag mit dem Verwendungszweck "3 Monate Schuldmiete" überwies. In den Folgemonaten setzte sich das unregelmäßige Zahlungsverhalten jedoch fort. 

Die Vermieterin kündigte schließlich im Juni 2023 sowohl außerordentlich fristlos als auch hilfsweise ordentlich wegen des Zahlungsverzugs.

Zentrale Streitpunkte: Wann ist eine Kündigung wegen Mietrückstand zulässig?

Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung

Das Gericht musste zunächst prüfen, ob die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfüllt waren. Diese Bestimmung erlaubt es Vermietern, das Mietverhältnis zu kündigen, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten nicht unerheblich verletzt.

Ein Mietrückstand stellt eine solche nicht unerhebliche Vertragspflichtverletzung dar, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:

  • Der Rückstand übersteigt eine monatliche Gesamtmiete
  • Die Verzugsdauer beträgt mindestens einen Monat

Die knifflige Frage der Zahlungsverrechnung

Ein zentraler Streitpunkt war die Verrechnung der geleisteten Zahlungen. Wenn ein Mieter mehrere Monate im Rückstand ist und dann eine Zahlung leistet, stellt sich die Frage: Auf welche Monate wird diese Zahlung angerechnet?

Das Gericht entschied, dass bei der Zahlung mit dem Verwendungszweck "3 Monate Schuldmiete" eine klare Leistungsbestimmung vorlag. Nach § 366 Abs. 1 BGB durfte der Mieter selbst bestimmen, auf welche Schulden seine Zahlung angerechnet werden sollte. Da er jedoch nur allgemein von "Schuldmiete" sprach, ohne konkrete Monate zu nennen, griff eine gesetzliche Auslegungsregel: Die Zahlung wird auf die drei ältesten Mietrückstände angerechnet.

Ist eine Abmahnung erforderlich?

Anders als bei fristlosen Kündigungen ist bei ordentlichen Kündigungen wegen Zahlungsverzugs keine vorherige Abmahnung erforderlich. Das Gericht stellte klar: Eine Abmahnung ist nicht Voraussetzung für eine ordentliche Kündigung. Allerdings kann eine fehlende oder missachtete Abmahnung dem Fehlverhalten des Mieters zusätzliches Gewicht verleihen.

Die Entscheidung: Kündigung war berechtigt

Berechnung des Mietrückstands

Das Landgericht Itzehoe führte eine detaillierte Berechnung der Zahlungen und Rückstände durch. Dabei wendete es konsequent die gesetzlichen Verrechnungsregeln an:

Bei mehreren offenen Forderungen wird grundsätzlich die älteste Forderung zuerst getilgt. Überzahlungen werden automatisch auf nachfolgende Rückstände angerechnet. Zum Zeitpunkt der Kündigung bestanden Rückstände für mehrere Monate, die deutlich über einer Monatsmiete lagen.

Keine Abmahnung erforderlich

Das Gericht bestätigte, dass angesichts der über viele Monate währenden Zahlungsverzögerungen das Fehlverhalten des Mieters bereits für sich genommen ein hinreichendes Gewicht für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung hatte. Eine zusätzliche Abmahnung war daher nicht erforderlich.

Nachträgliche Zahlungen ändern nichts

Der Mieter hatte nach Ausspruch der Kündigung noch verschiedene Zahlungen geleistet. Das Gericht stellte jedoch klar: Es gibt keine allgemeine Regel, dass eine ordentliche Kündigung stets rechtsmissbräuchlich wäre, wenn ein Rückstand innerhalb der zweimonatigen Schonfrist beglichen wird.

Entscheidend war, dass der Mieter seine vertraglichen Zahlungspflichten über einen längeren Zeitraum verletzt hatte, indem er die Miete teilweise gar nicht oder zumindest unpünktlich zahlte. Auch wenn der Ausgleich noch innerhalb der gesetzlichen Schonfrist erfolgte, geschah dies nicht zeitnah nach dem Kündigungsausspruch.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Vermieter: Klare Regeln bei Zahlungsverzug

Das Urteil bringt Klarheit für Vermieter, die mit zahlungssäumigen Mietern zu kämpfen haben:

Sie können eine ordentliche Kündigung aussprechen, wenn der Mietrückstand eine Monatsmiete übersteigt und mindestens einen Monat andauert. Eine vorherige Abmahnung ist zwar nicht zwingend erforderlich, kann aber das Gewicht der Pflichtverletzung unterstreichen.

Wichtig ist dabei die Dokumentation aller Zahlungen und Zahlungsrückstände. Nur so können Sie im Streitfall nachweisen, welche Beträge wann und wofür geleistet wurden.

Für Mieter: Zahlungsdisziplin ist entscheidend

Mieter sollten aus diesem Urteil lernen, dass kontinuierliche Zahlungsverzögerungen ernsthafte Konsequenzen haben können. Auch wenn Sie Ihre Rückstände später ausgleichen, schützt Sie das nicht automatisch vor einer Kündigung.

Befinden Sie sich in finanziellen Schwierigkeiten, sollten Sie frühzeitig das Gespräch mit Ihrem Vermieter suchen. Eine transparente Kommunikation und verbindliche Zahlungsvereinbarungen können oft eine einvernehmliche Lösung ermöglichen.

Bedeutung von Verwendungszwecken bei Überweisungen

Das Urteil zeigt auch, wie wichtig der Verwendungszweck bei Überweisungen ist. Wenn Sie als Mieter mehrere Monate im Rückstand sind und eine Zahlung leisten, sollten Sie präzise angeben, für welche Monate die Zahlung bestimmt ist. Andernfalls werden die ältesten Schulden zuerst getilgt, was möglicherweise nicht in Ihrem Interesse liegt.

Grenzen der Schonfrist

Die gesetzliche Schonfrist nach § 569 Abs. 3 BGB schützt Mieter bei fristlosen Kündigungen, wenn sie ihre Rückstände binnen zwei Monaten nach Zugang der Räumungsklage ausgleichen. Bei ordentlichen Kündigungen wegen Zahlungsverzugs gilt jedoch: Nachträgliche Zahlungen führen nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Sozialklausel bietet begrenzten Schutz

Selbst wenn Mieter sich auf die Sozialklausel nach § 574 BGB berufen können, weil ihnen die Wohnungssuche schwerfällt, kann dies durch schwerwiegendes Fehlverhalten überlagert werden. Kontinuierliche Zahlungsverzögerungen über viele Monate können das berechtigte Beendigungsinteresse des Vermieters so stark gewichten, dass ein Kündigungswiderspruch erfolglos bleibt.

Fazit: Rechtssicherheit für beide Seiten

Das Urteil des Landgerichts Itzehoe schafft wichtige Rechtssicherheit in einem häufigen Konfliktfeld des Mietrechts. Es zeigt auf, dass Vermieter bei hartnäckigen Zahlungsstörungen nicht wehrlos sind, während es gleichzeitig die Grenzen vermieterfreundlicher Entscheidungen aufzeigt.

Die wichtigste Botschaft: Beide Seiten sollten ihre vertraglichen Pflichten ernst nehmen und bei Problemen frühzeitig kommunizieren. Für Mieter bedeutet das vor allem, Zahlungsverpflichtungen pünktlich nachzukommen oder bei finanziellen Engpässen proaktiv Lösungen zu suchen. Vermieter hingegen sollten bei Zahlungsrückständen zwar konsequent, aber auch verhältnismäßig handeln.

Das Urteil unterstreicht zudem die Bedeutung einer sorgfältigen Dokumentation aller Zahlungsströme und rechtlichen Schritte. Nur so lassen sich spätere Streitigkeiten über Zahlungsverrechnungen und die Berechtigung von Kündigungen vermeiden.


Quelle: LG Itzehoe, Beschluss vom 02.08.2024 - 9 T 7/24

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